Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmungsrecht. Befragungen durch „EEO-Investigator”
Leitsatz (amtlich)
Ein gem. § 75 Abs. 3 Ziffer 15 BPersVG bestehendes Mitbestimmungsrecht (Ordnung der Dienststelle) entfällt nicht deshalb, weil die Dienststelle bezüglich dieses Regelungsgegenstandes an US-amerikanisches Recht gebunden ist. Sofern eine Dienststelle immer dann, wenn eine bestimmte Stelle dies verlangt, deutsche Zivilbeschäftigte zu den entsprechenden Vernehmungen einbestellt, wendet sie eine Regelung der Ordnung der Dienststelle i.S. des § 75 Abs. 3 Ziffer 15 BPersVG an.
Normenkette
Unterzeichnungsprot zu Art. 66 Abs. 9 ZA-NTS; BPErsVG § 75 Abs. 3 Ziff. 15
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Beschluss vom 22.01.2003; Aktenzeichen 6 BV 11/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde der Bet. zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Gießen vom 22.01.2003 – 6 BV 11/02 – teilweise abgeändert.
Es wird festgestellt, dass Weisungen von Dienstvorgesetzten der Dienststelle Gießen gegenüber den dort tätigen unter deutsches Recht fallenden Zivilbeschäftigten, sich Verhören bzw. Befragungen durch die als „…” für die US-Streitkräfte tätigen Personen zu unterziehen, der Mitbestimmung nach § 75 Abs. 3 Ziffer 15 BPersVG in Verbindung mit dem Zusatzabkommen zum Natotruppenstatut unterliegen.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird für beide Beteiligten zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten um das Bestehen und die Reichweite von Mitbestimmungsrechten gem. § 75 Abs. 3 Ziffer 15 BPersVG i.V.m. Abs. 6 des Unterzeichnungsprotokolls zu Art. 56 Abs. 9 Zusatzabkommen zum ….
Die Beteiligte zu 1. (Betriebsvertretung) ist die bei der Beteiligten zu 2. (US-Dienststelle) gewählte Vertretung der dort tätigen und deutschem Recht unterfallenden Zivilbeschäftigten. Für die genannte US-Dienststelle gilt Abschnitt 108 des § 1614 im 29. Kapitel des Code of Federal Regulations (29 C.F.R. 1614, Sec. 108). Diese Regelung des US-Bundesrechts befasst sich mit dem Verfahren, nach dem Beschwerden betroffener US-Bediensteter an die Antidiskriminierungskommission zu behandeln sind. Sie umschreibt insbesondere auch die Rechte des „…”. Wegen des Wortlauts der genannten Rechtsvorschrift in englischer bzw. deutscher Sprache wird ergänzend auf Bl. 54–57 d.A. Bezug genommen. In der Vergangenheit geschah es wiederholt, dass die zuständige und mit ihrem Dienstsitz bei der übergeordneten Behörde der US-Dienststelle in Mainz angesiedelte und der Aufsicht durch die Zentrale der Dienststelle … in …, USA unterstehende EEO-Investigatorin bei der US-Dienstelle erschien und die Vernehmung deutschem Recht unterfallender Zivil beschäftigter anlässlich entsprechender Beschwerden verlangte. In solchen Fällen wies der Zeuge … als Personalleiter und zuständiger Disziplinarvorgesetzter bei der US-Dienststelle die von der EEO-Investigatorin benannten Mitarbeiter an, sich zu einem vorgegebenen Zeitpunkt innerhalb des Dienstes in einem bestimmten Raum der Dienststelle einzufinden und sich dort der Vernehmung durch die Investigatorin zu unterziehen. Mit Schreiben vom 29.05.2002, auf dessen vollständigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 6 f. d.A.), vertrat der Verfahrensbevollmächtigte der Betriebsvertretung die Auffassung, hierbei handele es sich um ein mitbestimmungspflichtiges Vorgehen. Zugleich fragte er nach der datenschutzrechtlichen Grundlage für die Gewährung von Einblick in die Personalakten der betroffenen Mitarbeiter gegenüber der EEO-Investigatorin. Im Antwortschreiben vom 19.06.2002 (Bl. 8 d.A.) vertrat die vorgesetzte Dienststelle der US-Dienststelle, nämlich die … die Auffassung, Mitbestimmungsrechte der Betriebsvertretung seien nicht berührt. Die Betriebsvertretung hat gemeint, bezüglich des Vorgehens der US-Dienststelle ein Mitbestimmungsrecht gem. § 75 Abs. 3 Ziffer 15 BPersVG i.V.m. dem Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut zu haben. Durch die jeweiligen Weisungen des Personalleiters gegenüber den deutschem Recht unterliegenden Mitarbeitern werde eine Regelung der Ordnung in der Dienststelle vorgenommen. Mit der jeweiligen Anordnung, statt die vertragsgemäße Arbeitsleistung zu erbringen, an einem Verhör teilzunehmen, werde nicht die dienstliche Tätigkeit geregelt, sondern das Ordnungsverhalten. Zugleich entstünden durch die entsprechenden Anweisungen kollektive Folgen. Für das geltend gemachte Mitbestimmungsrecht bestehe auch, so hat die Betriebsvertretung weiter gemeint, ein entsprechender Regelungsspielraum, da z.B. Vorankündigungsfristen oder die vorherige Information über das Vernehmungsthema vereinbart werden könnten. Die Treuepflicht der betroffenen Mitarbeiter im Rahmen des Arbeitsverhältnisses könne nicht zur Folge haben, ausländischem Recht unterworfen zu sein. Schließlich hat die Betriebsvertretung gemeint, im Rahmen ihrer gem. § 68 BPersVG bestehenden Überwachungsaufgaben auch gegen die Einsichtnahme in die Personalakten betroffener Mitarbeiter vorgehen ...