Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsratswahl. Anfechtung. Wahlberechtigung. Arbeitnehmerüberlassung. Gewerbsmäßigkeit. Gewinnerzielungsabsicht
Leitsatz (amtlich)
§ 14 Abs. 1 AÜG findet auf illegale Arbeitnehmerüberlassung jedenfalls dann entsprechende Anwendung, wenn das faktische Leiharbeitsverhältnis trotz Unwirksamkeit nach § 9 Ziff. 1 AÜG fortgeführt wird. Die an in- und ausländische Konzerngesellschaften überlassenen Arbeitnehmer sind im überlassenden Betrieb wahlberechtigt im Sinne des § 7 Satz 1 BetrVG.
Normenkette
BetrVG §§ 7, 19; AÜG §§ 1, 9-10, 14 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 20.02.2003; Aktenzeichen 2 BV 37/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Beschwerde des Betriebsrats (Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Offenbach vom 20. Februar 2003 – 2 BV 37/02 – abgeändert.
Die Anträge der Arbeitgeberin (Beteiligten zu 1) werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über die Rechtswirksamkeit der im Betrieb der Beteiligten zu 1) am 29. April 2002 durchgeführten Betriebsratswahl
Die Beteiligte zu Ziffer 1) ist die Zweigniederlassung N. der G. mit Sitz in W.. Die Niederlassung ist selbstständig und im Handelsregister des Amtsgerichtes O. eingetragen. Die Niederlassung wird durch den alleinvertretungsberechtigten Prokuristen Herrn W. W. vertreten. Er ist ständiger Vertreter gemäß § 13 e Abs. 2 Ziffer 3 HGB und als solcher im Handelsregister eingetragen.
Am 18. März 2002 erließ der im Betrieb der Beteiligten zu 1) gebildete Wahlvorstand ein Wahlausschreiben (Bl. 40–42 d.A.) zur Durchführung der Wahl eines Betriebsrates, das am selben Tag ausgehängt wurde. Auf Bitten des Wahlvorstandes überließ die Personalleiterin der Beteiligten zu 1), Frau A. diesem eine Namenliste von Mitarbeitern, mit denen ein Arbeitsvertrag bestand. Nach Bekanntwerden der Wählerliste (Stand: 25. März 2002) wandte sich die Geschäftsleitung an den Betriebsrat und machte ihre Bedenken gegen die Wahlberechtigung der aufgeführten Arbeitnehmer geltend. Der Betriebsrat reagierte hierauf mit seinem Schreiben vom 4. April 2002 (Bl. 45 d. A.). Mit einem vierseitigen Schreiben vom 9. April 2002 nahm die Geschäftsleitung der Beteiligten zu 1) zum Schreiben des Betriebsrates vom 4. April 2002 Stellung und begründete im einzelnen, warum ihrer Ansicht nach ein Großteil der in der Wählerliste aufgeführten Personen nicht zur Betriebsratwahl 2002 wahlberechtigt sei. Auf E-Mail Antrage vom 26. April 2002 um 9.49 Uhr zur Mitarbeiter- und Expatsliste teilte die Personalleiterin per E-Mail (Bl. 77 d. A.) mit, man habe Austritte zum 30. April 2002 zu verzeichnen, ansonsten habe sich nichts geändert. Am 29. April 2002 führte der Wahlvorstand auf der Grundlage des erlassenen Wahlausschreibens, der ausgelegten Wählerliste sowie der Wahlvorschlagliste vom 28. März 2002 die Betriebsratwahl durch. Mit Bekanntmachung vom 29. April 2002 gab der Wahlvorstand um 15.45 Uhr das Ergebnis der Betriebsratwahl bekannt. Danach waren in den fünfköpfigen Betriebsrat die Bewerber/innen C. G., B. B., A. F., I. F. und E. F.-G. gewählt.
Mit ihrer am 13. Mai 2002 per Telefax eingegangenen Antragsschrift ist die Beteiligte zu 1) der Auffassung gewesen, die Betriebsratswahl sei nichtig, da die Wahl am 29. April 2002 in einem nicht betriebsratfähigen Betrieb durchgeführt worden sei. Abweichend von der der Betriebsratswahl zugrundgelegten Wählerliste gebe es im Betrieb der Beteiligten zu 1) nur 4 wahlberechtigte Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes, nämlich Frau G. A. Herrn H. E.-P. Herrn A. F. und Herrn J. S.. Die übrigen in der Liste aufgeführten Arbeitnehmer zählten nicht zum Betrieb der Beteiligten zu 1), sondern zu anderen Unternehmen und Betrieben des G. in Deutschland. Sie seien zwar formal ihre Arbeitnehmer, seien jedoch nicht in ihren Betrieb in N. eingegliedert, sondern in anderen Betrieben tätig. Hierbei handele es sich um folgende Personengruppen:
a) Deutsche G.-Mitarbeiter im Ausland (Anlage 9 a – Bl. 52 d. A.)
Bei diesem aus 9 Personen bestehenden Kreis handele es sich um Mitarbeiter, die zunächst bei einer anderen G.-Gesellschaft vor einem längeren Auslandsaufenthalt in Deutschland gearbeitet hätten, bevor sie im Auftrag ihrer Gesellschaft ins Ausland entsendet würden. Aus organisatorischen Gründen erhielten diese Arbeitnehmer für die Zeit ihres Auslandsaufenthaltes einen Arbeitsvertrag mit der Beteiligten zu 1). Das Arbeitsverhältnis werde zu diesem Zwecke vom ursprünglichen Arbeitgeber auf die Beteiligte zu 1) übertragen. Sie erhalte formal die Arbeitgeberposition, beschränke sich jedoch darauf, zum Beispiel noch in Deutschland zu zahlende Gehälter weiterzuzahlen. Die im Ausland tätigen Mitarbeiter müssten weder ihre Aufträge mit ihr abstimmen, noch erhielten sie von ihr technische, kaufmännische oder sonstige Anweisungen. Nach ihrer Rückkehr aus dem Ausland entfalteten sie keinerlei Tätigkeiten für die Bete...