Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenfestsetzung. hypothetische Reisekosten. Kostenerstattung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Grundsätzen der Erstattung anwaltlicher Kosten im Umfang hypothetischer Reisekosten der vertretenen Partei.
Normenkette
JVEG §§ 5, 5 ff; ArbGG § 12a; RVG § 59
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.08.2009; Aktenzeichen 20 Ca 4525/08) |
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 14. August 2009 – 20 Ca 4525/08 – wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Der vorliegende Rechtsstreit endete durch Urteil des Arbeitsgerichts vom 15. Januar 2009, das u. a. dem Kläger 6/11, der Beklagten 5/11 der Kosten aus einem Gegenstandswert von 11.102,61 EUR aufgab. Der Kläger, wohnhaft in A, war in dem Rechtsstreit durch seinen im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Prozessbevollmächtigten vertreten.
Antragsgemäß wurden dem Klägervertreter durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27. November 2008 (Vorschuss) und vom 31. März 2009 insgesamt 630,22 EUR aus der Staatskasse erstattet. Durch die Gerichtskostenrechnung vom 12. Mai 2009 wurden der Beklagten dann u. a. 5/11 der hypothetischen Reisekosten des Klägers in Höhe von 205, 23 EUR in Rechnung gestellt.
Hiergegen wandte sich die Beklagte mit ihrer so verstandenen Erinnerung vom 04. Juni 2009. Weder die Bezirksrevisorin noch das Arbeitsgericht halfen der Erinnerung ab, Letzteres durch Beschluss vom 14. August 2009 (Bl. 206 ff d. A.).
Der von der Beklagten am 14. September 2009 eingelegten Beschwerde hat das Arbeitsgericht am 15. September 2009 nicht abgeholfen und die Sache dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenansatz ist gemäß § 66 Abs. II GKG, § 59 Abs. 2 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die notwendige Mindestbeschwer von mehr als 200 EUR erreicht.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat der Kostenbeamte in den Kostenansatz für das erstinstanzliche Verfahren 5/11 von 451,50 EUR = 205,23 EUR als von der Beklagten zu erstattende Kosten eingesetzt.
Für diese Kosten haftet die Beklagte, weil ihr durch das Urteil des Arbeitsgerichts vom 15. Januar 2009 5/11 der Kosten des Rechtsstreits auferlegt wurden.
Auch im Übrigen ist der Kostenansatz fehlerfrei.
Die Staatskasse ist zur Geltendmachung des streitbefangenen Betrages aktiv-legitimiert. Gemäß § 59 Abs. 1 RVG geht der Anspruch auf Vergütung eines Rechtsanwalts gegenüber seinem Auftraggeber auf die Staatskasse über, wenn der Rechtsanwalt bereits zuvor aus der Staatskasse vergütet worden war und sich dies als unrichtig herausstellt, weil dem Auftraggeber z. B. – wie hier – ein Anspruch gegen den ersatzpflichtigen Gegner zusteht.
Auch der Höhe nach ist der Kostenansatz, soweit er von der Beklagten angegriffen wird, rechtlich korrekt.
Es ist zwar zutreffend, dass § 12 a ArbGG einen Erstattungsanspruch der obsiegenden Partei im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs für die Entschädigung wegen Zeitversäumnis und die Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes verweigert. Dementsprechend kann es insoweit auch keine Kostenerstattung an die Staatskasse im Wege übergegangenen Rechts geben. Nicht im § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG erwähnt und damit nicht dem Erstattungsverbot unterworfen sind aber z. B. Reisekosten der Partei selbst wie auch sogenannte hypothetische Reisekosten. Dies sind solche, die der Partei selbst entstanden wären, hätte sie nicht einen Prozessbevollmächtigten hinzugezogen. Diese Erstattungsmöglichkeit ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz des Kostenerstattungsrechts, nach dem auch nicht erstattungsfähige Kosten in der Höhe zu erstatten sind, als durch sie erstattungsfähige Kosten erspart wurden (sogenannte hypothetische Parteikostenerstattung). Hintergrund dieser Regelung ist, dass durch den Ausschluss der Kostenerstattung zwar einerseits das Kostenrisiko für die unterliegende Partei beschränkt, jedoch andererseits keine ungerechtfertigten Kostenvorteile durch Hinzuziehung eines Prozessvertreters durch den Gegner geschaffen werden sollen. Insofern sind in einer hypothetischen Berechnung die Kosten zu ermitteln, die der obsiegenden Partei bei eigenem Tätigwerden entstanden und zu erstatten gewesen wären. In derselben Höhe sind dann auch die Kosten ihres Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig. Soweit also eine Partei – wie hier – eigene Reisekosten vermeidet, in dem sie einen Rechtsanwalt hinzuzieht, so sind die Anwaltsgebühren und -auslagen in Höhe der erstattungsfähigen Reisekosten von der unterlegenen Partei zu tragen (vgl. statt aller Schwab/Weth/Vollstädt, ArbGG, 2. Auflage 2008, § 12 a Randziffer 25 f). Damit konnte der Klägervertreter hier seine Kosten bis ...