Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensgebühr. Vergleich
Leitsatz (amtlich)
Die Verfahrensgebühr gem. Nr. 8210 KV-GKG entfällt nicht gemäß der Vorbemerkung 8 KV-GKG, wenn sich die Parteien nach Zustellung des vollständig abgefassten Urteils vergleichen.
Normenkette
KV-GKG Nr. 8210; ZPO § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Gießen (Beschluss vom 28.06.2011; Aktenzeichen 1 Ca 451/10) |
ArbG Gießen (Beschluss vom 17.06.2011; Aktenzeichen 1 Ca 451/10) |
ArbG Gießen (Beschluss vom 17.06.2011; Aktenzeichen 1 Ca 454/10) |
Tenor
Die Beschwerden der Klägerin und des beklagten Landes gegen die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Gießen vom 17. Juni 2011 und 28. Juni 2011 – 1 Ca 451/10 – werden zurückgewiesen.
Die Beschwerdeverfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Tatbestand
I.
Am 10. März 2011 verkündete das Arbeitsgericht ein Urteil, das die Klage auf Kosten der Klägerin bei einem Gegenstandswert von 13.537,70 EUR abwies. Das Urteil wurde der Klägerin am 5. April 2011 in vollständig abgesetzter Form zugestellt. Am 4. Mai 2011 kam ein Beschluss gemäß § 278 Abs. 6 ZPO zu Stande, in dem ein Vergleich wie folgt festgestellt wurde:
Die Klägerin erkennt an, dass auf ihr Arbeitsverhältnis seit dem 01. Januar 2010 der TV-H Anwendung findet und die in § 28 a TVÜ-H enthaltene Regelung nicht altersdiskriminierend ist.
Am 16. Mai 2011 stellte der Kostenbeamte beim Arbeitsgericht beiden Parteien die Hälfte einer Gebühr von 484 EUR aus 13.537,70 EUR, also je 242 EUR in Rechnung. Hiergegen haben sowohl die Klägerin wie auch das beklagte Land Erinnerungen eingelegt, denen weder der Kostenbeamte noch die Bezirksrevisorin abgeholfen haben. Auch das Arbeitsgericht hat den Erinnerungen am 17. bzw. 28. Juni 2011 nicht abgeholfen. Den nach Zustellung am 27. Juni bzw. 4. Juli 2011 eingegangenen Beschwerden beider Parteien, eingegangen am 11. bzw. 18. Juli 201, hat das Arbeitsgericht am 14. bzw. 27. Juli 2011 wiederum nicht abgeholfen. Es hat die Sache vielmehr dem Hessischen Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Parteien berufen sich für ihre Beschwerden auf die Vorbem. 8 KV GKG, nach der bei Beendigung des gerichtlichen Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich die für den betreffenden Rechtszug angefallene Gebühr entfällt. Die Bezirksrevisorin und mit ihr das Arbeitsgericht sind der Ansicht gewesen, nach Sinn und Zweck der Vorbem. 8 könne dies nur für Vergleiche gelten, die vor einer Entscheidung des Gerichts, jedenfalls vor Zustellung des Urteils ge-schlossen werden.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf den Akteninhalt im Übrigen verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Beschwerden beider Parteien gegen die Gerichtskosten, den Kostenansatz, sind gemäß § 66 Abs. 2 GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Mindestbeschwerdewert von 200 EUR ist überschritten.
Das Arbeitsgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen(§ 66 Abs. 3 Satz 1 GKG).
Die Beschwerden der Parteien sind unbegründet.
Zu Recht hat der Kostenbeamte die Verfahrensgebühr nach Nr. 8210 KV GKG aus dem unbezweifelten Gegenstandswert von 13.537,70 EUR in Höhe von 484 EUR festgesetzt und diese den Parteien je zur Hälfte zum Soll gestellt. Das Arbeitsgericht hat den Erinnerungen der Parteien zu Recht nicht abgeholfen.
Entgegen der Ansicht der Parteien entfällt die Verfahrensgebühr nicht, obwohl die Parteien am 4. Mai 2011 einen Vergleich gerichtlich feststellen ließen.
Die Vorbem. 8 KV GKG verlangt für den Wegfall der Verfahrensgebühr die „Beendigung des Verfahrens durch einen gerichtlichen Vergleich”. Dies kann unbezweifelt auch ein gerichtlich festgestellter Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO sein (vergl. statt vieler Schleusener in GK- ArbGG, § 12 Rdz. 49). Im vorliegenden Falle handelt es sich bei dem Vergleich der Parteien vom 4. Mai 2011 auch um einen Vergleich im Sinne des § 779 Abs. 1 BGB. Das dort verlangte gegenseitige Nachgeben mag hier, wie das Arbeitsgericht meint, in der Hauptsache nicht erkennbar sein. Die Parteien haben aber die Kosten des Rechts-streits in Abweichung von der entsprechenden Verurteilung in dem Urteil vom 10. März 2011 durch bewusste Nichtregelung gemäß § 98 ZPO gegeneinander aufgehoben. Das genügt, um einen Vergleich im Rechtssinne zu Stande kommen zu lassen (Hessisches LAG vom 16. Februar 2004 – 13 Ta 13/04 –, m.w.N.; Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge, ArbGG, 7. Aufl. 2009, § Rdz. 24).
Die Verfahrensgebühr kann dennoch nicht entfallen, weil die Parteien den Vergleich erst nach Zustellung des arbeitsgerichtlichen Urteils während des Laufs der Berufungsfrist „zwischen den Instanzen” geschlossen haben. In diesem Zeitraum ist der Abschluss eines Vergleichs zwar möglich, häufig sogar geboten. Eine kostenrechtliche Privilegierung gemäß Vorbem. 8 KV GKG kann er aber nicht mehr erfahren. Dies ergibt sich entgegen der Ansicht des Landesarbeits-gerichts Hamm, auf das sich die Parteien stützen (Beschlüsse vom 7. Dezember 2010, NZA-RR 2011, 272 und vom 24. Juli 1974, AP Nr. 21 zu § ArbGG 1953) aus Wortl...