Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeugnis. Zeugnisanspruch. Insolvenz
Leitsatz (amtlich)
Ein ehemaliger Arbeitnehmer des Schuldners, dessen Arbeitsverhältnis vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens endete, kann den Insolvenzverwalter nur dann auf Erteilung eines Zeugnisses in Anspruch nehmen, wenn dieser zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt war und die Stellung eines „starken” Insolvenzverwalters im Sinne der §§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1, 22 Abs. 1, 2 InsO hatte.
Normenkette
GewO § 109; InsO §§ 21-22, 35, 55, 108
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Teilurteil vom 13.02.2003; Aktenzeichen 3 Ca 7286/02) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird dasTeilurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2003 – 3 Ca 7286/02 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen, soweit der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm ein Arbeitszeugnis zu erstellen, das sich auf Führung und Leistung erstreckt.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Für den Kläger wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, soweit für das vorliegende Berufungsverfahren von Interesse, über einen Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses.
Der Kläger war seit 17. September 2001 als Sales-Manager für die Schuldnerin zu einer Bruttomonatsvergütung von 6.937,58 EUR tätig. Das Amtsgericht Frankfurt am Main ordnete mit Beschluss vom 11. April 2002 die vorläufige Verwaltung des Vermögens der Schuldnerin an. Ziffer 3 des Beschlusses hat folgenden Wortlaut:
„Gemäß § 21 Abs. 2 Ziff. 2 InsO wird angeordnet,
dass Verfügungen der Antragstellerin nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.
Der vorläufige Insolvenzverwalter ist im Rahmen der Unternehmungsfortführung befugt, Betriebsmittelkredite zu beanspruchen und aufzunehmen, den Kreditgebern hierfür Sicherheiten aus dem schuldnerischen Vermögen zu gewähren und die Kredite aus dem schuldnerischen Vermögen zurückzuführen. Die Antragstellerin ist insofern in ihrer Verfügungsbefugnis beschränkt (besonderes Verfügungsverbot),”
Unter Ziffer 6 ist Folgendes geregelt:
„Der vorläufige Insolvenzverwalter soll gemäß § 22 Abs. 2 InsO
- das Vermögen der Antragstellerin sichern und erhalten;
- ein Unternehmen, das die Antragstellerin betreibt, bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit der Antragstellerin fortführen, soweit nicht das Insolvenzgericht einer Stillegung zustimmt, um eine erhebliche Verminderung des Vermögens zu vermeiden; die Verfügungsbefugnis über bestehende Arbeitsverhältnisse obliegt weiterhin der Antragstellerin; die Begründung, Änderung und Beendigung bestehender Arbeitsverhältnisse bedürfen der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters.”
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis aus Anlass von Gehaltsrückständen mit Schreiben vom 11. Juli 2002 fristlos. Das Amtsgericht eröffnete mit Beschluss vom 05. August 2002 die Insolvenz und bestellte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Nachdem eine Aufforderung gegenüber dem Geschäftsführer der Schuldnerin erfolglos blieb, machte der Kläger mit der vorliegenden Klage u.a. die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses durch den Beklagten geltend.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach Insölvenzeröffnung sei der Insolvenzverwalter auch gegenüber ausgeschiedenen Arbeitnehmern der Schuldner des Zeugnisanspruchs, und behauptet, der Beklagte habe den Betrieb nach Insolvenzeröffnung fortgeführt.
Der Kläger hat beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Arbeitszeugnis zu erstellen, das sich auf Führung und Leistung im Arbeitsverhältnis erstreckt.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, dass er zur Zeugniserteilung nicht verpflichtet sei, da er den Kläger zu keinem Zeitpunkt beschäftigt habe, und behauptet, er habe den Betrieb mit Insolvenzeröffnung nicht mehr fortgeführt. Alle Mitarbeiter seien bereits vom Geschäftsführer der Schuldnerin freigestellt worden.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat mit Teilurteil vom 13. Februar 2003 – 3 Ca 7286/02 – der Zeugnisklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, mit der Insolvenzeröffnung trete der Insolvenzverwalter in die Arbeitgeberstellung ein. Soweit er persönlich nicht zur Beurteilung der Arbeitnehmer fähig sei, müsse er sich auf Unterlagen wie die Personalakte stützen oder sich durch die Befragung von Vorgesetzten in die Lage versetzen, das Zeugnis erteilen zu können. Wegen der weiteren Begründung wird auf Bl. 31 und 32 d.A. verwiesen.
Der Beklagte hat gegen das am 13. März 2003 zugestellte Urteil am 11. April 2003 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Der Beklagte hält an seiner Meinung fest, dass er nicht passivlegitimiert sei. Der Anspruch auf Zeugniserteilung gehöre nicht zur Insolvenzmasse, wenn ein Arbeitsverhältnis schon vor der Insolvenzeröffnung beendet wurde. Der Anspruch könne auch deshalb...