Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachteilausgleich
Normenkette
BetrVG § 113
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 05.07.1994; Aktenzeichen 4 Ca 5714/93) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird dasUrteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom5. Juli 1994 – 4 Ca 5714/93 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin
DM 33.704,–
(in Worten: Dreiundreißigtausendsiebenhundertundvier Deutsche Merk)
zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Der Streitwert wird auf DM 33.704,– festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in erster Linie um einen Anspruch auf Nachteilsausgleich, hilfsweise macht die Klägerin die Unwirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung geltend und verlangt ihre Weiterbeschäftigung.
Die 1940 geborene Klägerin war seit dem 01.04.1985 als Einkaufssachbearbeiterin für die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Sie erhielt zuletzt ein Bruttogehalt von DM 4.313,–.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Feuerfestindustrie. Ihre Produktionsstätte befindet sich in … bei … mit ca. 76 Arbeitnehmern. Die Hauptverwaltung in Frankfurt, bei der die Klägerin tätig war, hatte 25 Arbeitnehmer. Beide Betriebe haben Betriebsräte gebildet, weiterhin besteht ein Gesamtbetriebsrat. Die Klägerin war die Vorsitzende des Betriebsrats in
Am 02.04.1993 fand eine Gesellschafterversammlung statt. Im Protokoll vom selben Tage heißt es:
„Einziger Punkt der Tagesordnung war die Verlegung der Verwaltung zum Werk nach
Der Beschluß wurde einstimmig gefaßt. Es wurde empfohlen, den Umzug schnellstmöglich, auf jeden Fall aber im Laufe des Jahres 1993, durchzuführen. Voraussetzung ist eine detaillierte Planung sowie die Benennung eines für die Durchführung Verantwortlichen.”
Am 17.05.1993 wurde die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Betriebsratsvorsitzende erstmals über diese Absichten informiert und es wurde ihr der Entwurf eines Interessenausgleichs und Sozialplans vorgelegt.
Am 28.05. und 04.06.1993 verhandelten Betriebsrat und Geschäftsleitung ebenfalls ergebnislos. In der Sitzung vom 28.05.1993 waren nach den Darlegungen der Parteien im Verhandlungstermin vor dem Landesarbeitsgericht vom 02.02.1995 ein bis zwei Mitglieder des Gesamtbetriebsrats zunächst anwesend, verhandelten jedoch inhaltlich nicht und verließen den Raum, nachdem der Vertreter der Arbeitgeberseite die Unzuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für diese Angelegenheit gerügt hatte.
Durch Aushang vom 07.06.1993 (Bl. 200 d. A.) wurden die Arbeitnehmer der Verwaltung, die Interesse an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in … hatten, gebeten, dies bis zum 14.06.1993 mitzuteilen. Es meldete sich niemand.
Am 15.06.1993 fand eine Einigungsstellensitzung statt, deren Vorsitzender am selben Tage das Scheitern der Verhandlungen über einen Interessenausgleich feststellte (vgl. das Protokoll der Sitzung Bl. 11, 12 d. A.).
Das Schreiben der Beklagten an den Vorsitzenden der Einigungsstelle nebst Anlagen wurde dem Betriebsrat am Morgen der Sitzung, die am 15.06.1993 um 12.30 Uhr begann, ins Fach gelegt (Bl. 32 – 47 d. A.).
Die Klägerin als Betriebsratsvorsitzende erhielt am 16.06.1993 den Anhörungsbogen zu den ordentlichen Änderungskündigungen der Arbeitnehmer der Hauptverwaltung in … Die Liste der betroffenen Arbeitnehmer samt deren Sozialdaten war beigefügt. Darunter befanden sich auch der Name und die Daten der Klägerin. Der Betriebsrat äußerte sich dazu nicht.
Die Klägerin erhielt am 25.06.1993 die Kündigung vom selben Tage zum 31.12.1993. Gleichzeitig wurde ihr ein Arbeitsplatz ab dem 01.01.1994 in … angeboten. Die Klägerin lehnte das Änderungsangebot ab.
Am 09.07.1993 schlossen Betriebsrat und Geschäftsleitung einen Sozialplan ab (Bl. 48 – 53 d. A.).
Die Klägerin hat die ordnungsgemäße Betriebsratsanhörung bestritten. Der Betriebsrat sei zu spät und unvollständig unterrichtet worden. Sie hat weiterhin die Ansicht vertreten, die Kündigung sei unwirksam, da das Verfahren gem. § 99 BetrVG bezüglich der Versetzung nach … nicht durchgeführt worden sei. Außerdem bestehe das Arbeitsverhältnis fort, da sie als Betriebsratsvorsitzende über den 31.12.1993 hinaus ein Restmandat wahrnehme und insoweit auch noch tätig sei. Schließlich hat sie gemeint, ihr stehe ein Nachteilsausgleichsanspruch zu, weil die Beklagte einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat nicht rechtzeitig versucht habe, nämlich schon im April 1993.
Die Klägerin hat beantragt,
- festzustellen, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung der Beklagten vom 25.06.1993 zum 31.12.1993, zugegangen am 25.06.1993, sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Arbeitsbedingungen über den 31.12.1993 hinaus fortbesteht;
die Beklagte im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterzubeschäftigen;
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin eine Abfindung gem. § 113 Abs. 3 BetrVG, deren Höhe in das Ermessen des Gerichtes gestellt wir...