Leitsatz (amtlich)

1. Zum Begriff derpolitischen Bildung i. S. von § 1 Abs. 3 d. Hes.BildUrlG 1974

2. Zur Übertragung des Bildungsurlaubs von einem Kalenderjahr auf das folgende nach § 4 Abs. 3 S. 1 Hess.BildUrlG ist es nicht erforderlich, daß der Arbeitnehmer bereits bei der Antragstellung die Bildungsveranstaltung nach Thema und Zeitraum genau benennt.

Er darf vielmehr mit der Auswahl der Bildungsveranstaltung bis zu dem Zeitpunkt warten, zu dem er sich einen überblick überalle Veranstaltungsangebote verschaffen kann. Die Auswahl und Benennung der Bildungsveranstaltung ist deshalb auch noch im Verlaufe des Kalenderjahres zulässig, in das der Bildungsurlaub übertragen worden ist.

 

Normenkette

Hess. Bildungsurlaubsgesetz 1974 § 1 ff.

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.10.1984; Aktenzeichen 8 Ca 687/83, 8 Ca 687/83)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. Oktober 1984 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main – 8 Ca 687/83 – wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.

 

Tatbestand

Die Beklagte ist ein Unternehmen der Chemie- und Pharmaindustrie und beschäftigt rund 1000 Arbeitnehmer.

Die am 4. Januar 1959 geborene Klägerin ist seit 1. August 1977 bei der Beklagten als Laborantin beschäftigt und erhält eine Monatsvergütung von 2.831,– DM brutto.

Mit Schreiben vom 15. Oktober 1982 bat die Klägerin die Beklagte, ihren Bildungsurlaub aus dem laufenden Kalenderjahr auf das Jahr 1983 zu übertragen mit der Begründung, sie beabsichtige an einer 10-tägigen Bildungsreise teilzunehmen (vgl. Fotokopie Bl. 6 d.A.). Ende Februar 1983 unterrichtete die Klägerin die Beklagte mündlich darüber, daß sie in der Zeit vom 17. bis zum 28. Oktober 1983 an einem Seminar der Hessischen Sportjugend zum Thema „Wir drehen einen Spielfilm” teilnehmen wolle. Dabei legte die Klägerin der Beklagten eine Bescheinigung der Hess. Sportjugend über die Annahme der Klägerin für die genannte Bildungsveranstaltung sowie eine Beschreibung des Seminarinhalts vor. Insoweit wird auf die Fotokopien Bl. 7 und 9 d.A. verwiesen. Die Klägerin erklärte, zur Teilnahme an dem Seminar die Bildungsurlaube aus den Jahren 1982 und 83 in Anspruch nehmen zu wollen.

Die Beklagte lehnte es zunächst mündlich ab, der Klägerin im Jahre 1983 noch den Bildungsurlaub aus dem Jahre 1982 nachzugewähren. Diese Ablehnung, den Bildungsurlaub aus dem Vorjahr zu übertragen, bestätigte die Beklagte im Schreiben vom 15. Juli 1983 (vgl. Bl. 10 d.A.). Im Schreiben vom 1. August 1983 vertrat die IG Chemie, der die Klägerin angehört, deren Position gegenüber der Beklagten und forderte erneut, der Klägerin für die Zeit vom 17. bis zum 28. Oktober 1983 Bildungsurlaub zu bewilligen. Es folgte ein weiterer Schriftwechsel zwischen der Beklagten und der IG Chemie, der jedoch keine Lösung des aufgetretenen Konflikts bewirkte (vgl. Bl. 13–15 d.A.). Daraufhin beantragte die Klägerin im Verfahren 8 Ga 19/83 Arbeitsgericht Frankfurt am Main am 29./30. September 1983, die Beklagte im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, der Klägerin für die Zeit vom 17. bis zum 28. Oktober 1983 Bildungsurlaub zu gewähren. Auf Anregung des Arbeitsgerichts einigten sich die Parteien außergerichtlich dahin, daß die Beklagte die Klägerin für den gewünschten Zeitraum von der Arbeitsleistung freistellte und die Frage, ob die Klägerin für die Zeit des Seminarbesuches Vergütung verlangen könne, im gewöhnlichen Klageverfahren zu klären.

Die Klägerin besuchte, wie angekündigt, vom 17. bis zum 28. Oktober 1983 das von der Bess. Sportjugend veranstaltete Seminar „Wir drehen einen Spielfilm”. Über die Teilnahme legte sie der Beklagten eine Bescheinigung des Veranstalters vor.

Mit der Klage vom 9./12. Dezember 1983 hat die Klägerin von der Beklagten Vergütung für die Zeit vom 17. bis zum 28. Oktober 1983 in der unstreitig richtig berechneten Höhe von 1.286,80 DM brutto verlangt. Sie ist der Ansicht gewesen, sie habe für die Teilnahme an dem genannten Seminar der Bess. Sportjugend von der Beklagten Bildungsurlaub zu beanspruchen gehabt; fünf Tage dieses Zeitraumes seien der Bildungsurlaub des laufenden Jahres 1983 gewesen und fünf Tage der aus dem Jahre 1982 übertragene Bildungsurlaub … die Beklagte habe der Übertragung des Bildungsurlaubs aus dem Jahre 1982 auf das Jahr 1983 zu Unrecht widersprochen; für die Übertragung sei es nicht notwendig gewesen, bereits bei Antragstellung die Bildungsveranstaltung nach Zeitraum und Thema genau zu benennen, derentwegen sie die Übertragung des Bildungsurlaubs verlangt habe. Die Klägerin hat ferner gemeint, das von der Hess. Sportjugend durchgeführte Seminar habe nach Thema und Inhalt den Voraussetzungen der Bestimmungen des Hessischen Bildungsurlaubsgesetzes entsprochen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.286,80 DM brutto mit 4 % Zinsen seit dem 1. Dezember 1983 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung gewesen, die Klägerin habe im Jahre 1983 ...

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