Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht
Leitsatz (amtlich)
Umfang des Direktionsrechts des Arbeitgebers gegenüber einem Krankenpfleger, der Arbeiten an Patienten im Rahmen einer Arzneimittelstudie vorzunehmen hatte, die im Betrieb beschäftigte Ärzte im Rahmen eines privaten Auftrags eines Pharmaunternehmens durchführten.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 07.11.1995; Aktenzeichen 8 Ca 857/95) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 07. November 1995 – 8 Ca 857/95 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den umfang des Direktionsrechtes des Beklagten bzw. darum, ob der Betriebsrat vor bestimmten Weisungen hätte mitbestimmen müssen.
Bei dem Beklagten handelt es sich um einen Verein, eine gemeinnützige Körperschaft für Dialyse und Nierentransplantation, deren Hauptverwaltung in N.-I. bei F. ist.
Der Kläger wurde am 01.04.1977 als Dialysepfleger für den Betrieb des Beklagten in M. eingestellt. Er ist Mitglied des Betriebsrats in M. und Mitglied des Gesamtbetriebsrats des gesamten Unternehmens. Bundesweit beschäftigt der Arbeitgeber mehr als 1.000 Mitarbeiter.
Anlaß des vorliegenden Rechtsstreits war eine Arzneimittelstudie, die die Arzneimittelfirma C. im Jahre 1994 vornehmen ließ. Diese Firma stellte ein Präparat „Erypo” her, ein blutbildendes Hormon, durch dessen Gabe Transfusionen vermieden und nierenbedingte Blutarmut behandelt werden kann. Dieses Präparat hatte seit dem Jahr 1988 die Zulassung des Bundesgesundheitsamtes. Da bei einigen Patienten bei der subkutanen Behandlung an der Injektionsstelle ein Brennen auftrat und sich gezeigt hatte, daß dieses Brennen durch den im Präparat enthaltenen Citratpuffer hervorgerufen wurde, entwickelte die Firma C. eine neue Zusammensetzung, in der der Citratpuffer in einen Phosphatpuffer ausgetauscht wurde. Unter Berücksichtigung der §§ 40, 41, 67 AMG führte die Firma C. eine erneute klinische Prüfung durch. Den Auftrag für diese Prüfung erhielten die Ärzte Dr. H. K. und Dr. G. R.. Herr Dr. R. ist seit Februar 1994 angestellter Arzt des Beklagten und neben Frau Dr. K. ärztlicher Leiter des Dialysezentrums M. Frau Dr. K. ist aufgrund eines freien Dienstvertrages für das Dialysezentrum des Beklagten tätig. Sie ist niedergelassene Ärztin. Die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung schließt das Bestehen eines weisungsgebundenen Arbeitsverhältnisses aus. Im Rahmen ihres Dienstvertrages hat der Beklagte ihr die ärztliche Leitung des Dialysezentrums M. übertragen.
Am 10.01.1995 bestätigte der Betriebsrat gegenüber dem Beklagten ausdrücklich die medizinische Weisungsbefugnis von Frau Dr. K. (Bl. 15 d.A.).
Der Kläger wurde von den beiden Ärzten angewiesen, das Medikament subkutan den von ihm zu versorgenden Patienten zu injizieren. Nachdem er die Ansicht vertrat, hierzu nicht verpflichtet zu sein, wies der Beklagte den Kläger an, sich an die Anweisungen der Ärzte zu halten.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, durch diese Anweisungen sei die Ordnung des Betriebes gemäß § 87 Abs. 1 Ziff. 1 BetrVG betroffen, da im Betrieb Personen Studien durchführten, die keine Arbeitnehmer des Arbeitgebers seien. Hiermit sei das Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb betroffen. Vergleichbar sei die Lage wie bei Kundenbefragungen und Krankengesprächen. Alle Einflüsse, die von außen in den Betrieb eindrängen, wie der Verkauf von Waren und Dienstleistungen, das Verteilen von Zetteln und Plakaten und ähnliches fielen hierunter. Die Studie stehe nicht mit der Erledigung der Arbeitsautgaben unmittelbar im Zusammenhang. Die Anweisung gebenden Personen repräsentierten den Arbeitgeber nicht und die Ergebnisse der Studie flössen nicht dem Arbeitgeber zu. Die Ärzte zögen finanziellen und wissenschaftlichen Nutzen hieraus, nicht jedoch der Arbeitgeber. Es handele sich um arbeitgeberfremde Tätigkeiten. Wenn private Geschäfte im Betrieb erledigt würden, sei dies mitbestimmungspflichtig. Auf die Freiwilligkeit seitens des Beklagten komme es nicht an. Entscheidend für das Ordnungsverhalten sei, daß das verlangte Verhalten nicht arbeitsvertragsgemäß sei.
Auch individualrechtlich sei der Kläger nicht zur Befolgung der Anweisungen verpflichtet. Die Arbeitsverpflichtung beziehe sich nur auf das Arbeitsverhalten, nicht auf Dritte. Mit den beiden Ärzten Dr. R. und Dr. K. habe der Kläger keinen Arbeitsvertrag. Gemäß § 613 BGB sei er nicht verpflichtet, Arbeitsleistungen für Dritte zu erbringen. Mit der Durchführung der Studien seien zusätzliche Aufgaben verbunden, wie Beschriftungen, Auswertungen, Untersuchungen, Patientenbefragungen, die teilweise durch die Arzte selbst ausgeführt wurden, teilweise durch ihn, den Kläger. Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, daß er nicht verpflichtet sei, ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates Arbeitsl...