Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit des VTV-Bau. Berücksichtigung der Tätigkeit des Inhabers. Begriff des Glaserhandwerks
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tätigkeit des Inhabers eines Betriebes ist im Rahmen der Frage, ob von der betrieblichen Gesamtarbeitszeit mehr als die Hälfte auf baugewerbliche Tätigkeiten im Sinne des VTV-Bau entfällt, mit zu berücksichtigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Inhaber selbst baugewerblich mitarbeitet.
2. Für die Auslegung des Begriffes „Betrieb des Glaserhandwerkes” (§ 1 Abs. 2 Abschnitt VII Ziff. 3 in der im streitbefangenen Zeitraum bis 1991 geltenden Fassung VTV-Bau) ist zurückzugreifen auf § 1 Abs. 2 HandwO und die dazu vorhandene Rechtsprechung.
Normenkette
TVG § 1 Tarifverträge: Bau, § 4 Abs. 2, § 5 Abs. 4; VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. II; VTV-Bau § 1 Abs. 2 Absch. VII Ziff. 3 in der im streitbefangenen Zeitraum bis 1991 geltenden Fassung
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 20.05.1992; Aktenzeichen 7 Ca 3167/91) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. Mai 1992 – 7 Ca 3167/91 – teilweise – unter Zurückweisung der Berufung im übrigen – abgeändert. Entsprechend wird der Tenor insgesamt wie folgt neu gefaßt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 10.067,32 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreites haben der Kläger 55 % und der Beklagte 45 % zu tragen.
Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen für eine gewerbliche Arbeitnehmerin in einer Gesamthöhe von 22.371,83 DM, und zwar betreffend den Zeitraum von Oktober 1987 bis Dezember 1991 einschließlich.
Der Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, war im genannten streitbefangenen Zeitraum als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach näherer tarifvertraglicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge der baugewerblichen Arbeitgeber im Bereich der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Berlin (so die alte Formulierung des § 1 Absatz 1 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe – VTV –) bzw. in dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in den Grenzen nach dem Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (so die neue Formulierung in § 1 Absatz 1 VTV) zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Im, Klagezeitraum waren alle baugewerblichen Arbeitgeber im Bereich der alten Bundesländer und des (Westteils des) Landes Berlin verpflichtet, an den Kläger monatlich Beiträge in jeweils tarifvertraglich festgesetzter Höhe (bei gewerblichen Arbeitnehmern: Prozentsätze der monatlichen Bruttolohnsumme) abzuführen. Diese Verpflichtung ergab sich die gewerblichen Arbeitnehmer betreffend aus §§ 24 Abs. 1 und 2, 29 Abs. 1 VTV in der jeweils geltenden Fassung. Der VTV vom 12. November 1986 war im streitbefangenen Zeitraum in seinen jeweiligen Fassungen jeweils durchgehend für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Im Betrieb des Beklagten waren in den Jahren 1987 bis 1991 der Beklagte selbst und die gewerbliche Arbeitnehmerin … (diese allerdings nicht durchgehend, sondern mit Unterbrechungen) tätig. Die Arbeitnehmerin … erhielt in dem Zeitraum von Oktober 1987 bis Dezember 1991 einschließlich für die Monate, in denen sie gearbeitet hatte, Lohn in unstreitiger Höhe (dieser ergibt sich für den Zeitraum von Oktober 1987 bis Dezember 1989 aus den Lohnkonten des Beklagten betreffend … = Fotokopien Blatt 17 bis 19 d.A., für den übrigen Zeitraum aus den Bruttolohnsummenmeldungen des Beklagten), woraus sich – unter Zugrundelegung des jeweiligen gezahlten gesamten Bruttolohnes und der jeweiligen Beitragssätze – unstreitig der eingeklagte Gesamtbetrag an Beiträgen für den streitbefangenen Zeitraum von 22.371,83 DM errechnet. Allerdings war die Arbeitnehmerin … im Betrieb des Beklagten durchweg nur zu einem Anteil von 45 % ihrer persönlichen Gesamtarbeitszeit tätig, im übrigen war sie (als Hilfe für die schwerbehinderte Ehefrau des Beklagten) im Haushalt des Beklagten tätig. Soweit Frau … im Betrieb des Beklagten tätig war, war sie nach Darstellung des Klägers mit den nachfolgend dargestellten gewerblichen Tätigkeiten befaßt, nach Darstellung des Beklagten lediglich mit Reinigungsarbeiten auf den Baustellen.
Im Betrieb des Beklagten wurden in den Jahren 1987 bis 1991 jeweils die folgenden gewerblichen Tätigkeiten ausgeführt, und zwar mit den jeweils angegebenen Arbeitszeitanteilen:
- Anbringung von dauerelastischen Verfugungen im Sanitärbereich (Fliesen): zu 40 %,
- Anschlußverfugungen: zu 35 %,
- Glasversiegelungen (= Abdichten der Fensterglasscheiben im Rahmenbereich): zu 15 % und
- Fensterfalzabdichtungen (zur Darstellung des betreffenden Arbeitsablaufes vgl. die vom Beklagten zu den Gerichtsakten gereichte Fotokopie = Blatt 299 d.A.): zu 10 %.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Ansicht vertreten, der Betrieb des Beklagten sei in den Jahren 1987 bis 1991 dem VTV...