Entscheidungsstichwort (Thema)
Inkongruente Deckung. Insolvenzanfechtung. Leistung eines Dritten. Anfechtbare Rechtshandlungen bei inkongruenter Deckung
Leitsatz (amtlich)
1. Nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind innerhalb eines Monats vor Insolvenzantragstellung erfolgte Rechtshandlungen -sofern es sich um eine inkongruente Deckung handelt- ohne jede weitere Voraussetzung anfechtbar.
2. Eine Zahlung vom (Privat-) Konto eines Beauftragten der Schuldnerin, dem zuvor ein Kundenscheck gutgeschrieben wurde, ist inkongruent.
Normenkette
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Entscheidung vom 01.08.2012; Aktenzeichen 8 Ca 86/12) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 1. August 2012 - 8 Ca 86/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A die Rechtsnachfolgerin der B ist; diese Änderung der Firma wurde am 20. März 2008 im Handelsregister eingetragen, insoweit wird auf den Handelsregisterauszug Bl. 15, 16 der Akten Bezug genommen. Der zum Insolvenzverfahren führende Antrag ging beim Amtsgericht F am 16. April 2008 ein. Mit Beschluss vom 20. Mai 2008 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte war bei der Insolvenzschuldnerin seit Dezember 2007 als Prokurist/kaufmännischer Leiter tätig. Für die Zeit vom 20. Februar 2008 bis 19. Mai 2008 bezog der Beklagte Insolvenzgeld. Bereits ab Januar 2008 war die Kreditlinie der Insolvenzschuldnerin erreicht.
Am 26. März 2008 schlossen die B und deren kaufmännischer Direktor W einen Geschäftsbesorgungsvertrag, der u.a. folgende Regelungen enthält (Bl. 27, 28 der Akten):
I. Vorbemerkungen
3. Zur ordnungsgemäßen Befriedigung anstehender Zahlungen beauftragt die B den Beauftragten im Zeitraum bis zum Vollzug der Übernahme der kaufmännischen Abteilung durch die C mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs.
II. Vereinbarungen
§ 1 Beauftragung zu Abwicklung des Zahlungsverkehrs
Die B beauftragt den Beauftragten mit der Abwicklung des Zahlungsverkehrs für einen Zeitraum von sechs Wochen.
§ 2 Abwicklung des Zahlungsverkehrs
(1) Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs erfolgt über das Konto des Beauftragten Kto.-Nr.: xxx bei der Sparkasse R.
(2) Soweit Auszahlungen die B betreffen, erfolgen die Auszahlungen auf Rechnung der B.
Am 28. März 2008 nahm W den auf die B von der D ausgestellten Orderscheck Nr. 638 über 194.705,08 € entgegen und löste diesen am 2. April 2008 auf seinem Konto bei der Sparkasse R Kto.-Nr.: xxx ein.
Am 1. April 2008 schlossen die Heinrich B und der Beklagte einen Vertrag über die Vereinbarung einer Tantieme (Bl. 25, 26 der Akten). Nach dessen § 1 (2) wird die Tantieme für das Engagement des Beklagten gezahlt und ist unabhängig vom Erfolg einer möglichen Beteiligung der Investoren. Nach § 2 betrug die Tantieme 9678,80 € netto und ist nach § 3 spätestens zum 15. April 2008 fällig.
Am 12. April 2008 wies der geschäftsführende Gesellschafter der B, J, den Beauftragten zur Verwendung des Scheckeinreichers über 194.705,08 € an (Bl. 33 der Akten). Dort heißt es unter 1. Gehaltszahlung O 02/03/2008 9678,80 €. Dieser Betrag wurde dem Konto des Beklagten am 11. April 2008 gutgeschrieben (Bl. 34 der Akten).
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die an den Beklagten erfolgte Zahlung in Höhe von 9678,80 € netto sei insolvenzrechtlich anfechtbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 265-267 der Akten) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Voraussetzungen des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO seien erfüllt, da es sich bei der am 11. April 2008 erfolgten Überweisung um eine inkongruente Leistung handele. Der Geschäftsbesorgungsvertrag vom 26. März 2008 sei allein deswegen geschlossen worden, weil das Konto der späteren Insolvenzschuldnerin bereits zu diesem Zeitpunkt die Kreditlinie erreicht hatte. Ihr sei daher bewusst gewesen, dass Zahlungen über die eigenen Konten nicht mehr möglich waren. Deshalb sei das Konstrukt des Geschäftsbesorgungsvertrages zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs gewählt worden. Dem Beklagten hätten die Zahlungen aufgrund des Tantiemenvertrages vom 1. April 2008 nicht in der Art zugestanden, dass diese über das Privatkonto eines Dritten erfolgten. Hierbei habe es sich nicht um eine verkehrsübliche Zahlungsweise gehandelt. Auf eine etwaige Zahlungsunfähigkeit der Insolvenzschuldnerin und/oder die Kenntnis davon beim Beklagten komme es nicht an.
Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 3. August 2012 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 3. September 2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 5. November 2012 am 5. November 2012 begründet.
Der Beklagte ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe nicht berück...