Entscheidungsstichwort (Thema)
Dämm- und Isolierarbeiten i.S.d. § 1 Abs. 2 Abschnitt IV Nr. 3 VTV-Bau. Keine Anwendung des VTV-Bau auf Landfahrzeuge (hier: mobile Tiny Houses)
Leitsatz (redaktionell)
1. Dämm- und Isolierarbeiten i.S.d. VTV-Bau sind nicht auf bestimmte Isoliertätigkeiten beschränkt. Erfasst werden sollen alle Arbeiten, die herkömmlicherweise dem Isoliergewerbe zuzurechnen sind. Zum Berufsbild des Isoliermonteurs gehört u.a. das Herstellen von Dämmungen und Sperrungen gegen Wärme-, Kälte-, Schall- und Brandschutz.
2. Tiny Houses sind Landfahrzeuge im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt IV Nr. 3 VTV und keine Bauten bzw. Bauwerke im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt I bis III VTV. Die von den gewerblichen Arbeitnehmern des Betriebs ausgeführten Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt IV Nr. 3 VTV erfolgen lediglich im Umfang von etwa 10 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit und sind mithin nicht arbeitszeitlich überwiegend.
Normenkette
VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. IV; VTV SOKA Bau Fassung: 2018-09-28 § 1 Abs. 2 Abschn. I; VTV SOKA Bau Fassung: 2018-09-28 § 1 Abs. 2 Abschn. II; VTV SOKA Bau Fassung: 2018-09-28 § 1 Abs. 2 Abschn. III
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 02.02.2022; Aktenzeichen 3 Ca 282/21 SK) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 02. Februar 2022 – 3 Ca 282/21 SK – abgeändert und die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist auf Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.
Der in A gelegene Betrieb der Beklagten stellt sog. mobile Tiny Houses her, die von dem TÜV als Wohnanhänger bzw. Wohnwagen abgenommen werden, für den Straßenverkehr zugelassen sind und als Kfz Anhänger versichert werden.
Der Kläger begehrt von den Beklagten als Gesamtschuldnern auf Grundlage des VTV vom 28. September 2018 die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen wegen der Beschäftigung gewerblicher Arbeitnehmer in den Zeiträumen von Februar 2019 bis Juli 2019 sowie im September 2019 i.H.v. 7.812,80 EUR und i.H.v. 756,- EUR wegen der Beschäftigung von Angestellten während der Zeiträume von Februar 2020 bis Oktober 2020 sowie von Dezember 2020 bis Februar 2021.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagten seien verpflichtet, am Sozialkassenverfahren des Baugewerbes teilzunehmen. Er hat behauptet, die in dem Betrieb der Beklagten beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten im Rumpfkalenderjahr 2019 (Beschäftigungsbeginn der gewerblichen Arbeitnehmer am 01. März 2019) sowie in den Kalenderjahren 2020 und 2021 zu mehr als 50 % ihrer jeweiligen persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht habe, folgende Arbeiten verrichtet:
- Montage von – vorgefertigt von Dritten im Handel bezogenen – genormten Baufertigteilen zur (vollständigen) Erstellung von (mobilen) Wohnhäusern (Mini-Häusern / Tiny Houses),
- Zimmererarbeiten sowie Holzbauarbeiten (Ausführung gemäß dem Zimmerhandwerk) zur Erstellung der zuvor beschriebenen (mobilen) Wohnhäuser,
- auf die zuvor beschriebenen Tätigkeiten bezogene baugewerbliche Zusammenhangsarbeiten, wie z.B. die Planung der (mobilen) Wohnhäuser sowie kaufmännische Verwaltungstätigkeiten.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die betrieblichen Tätigkeiten würden mit Geräten, Materialien sowie Arbeitsmethoden des Baugewerbes sowie des Ausbaugewerbes und nicht mit solchen eines Fahrzeugbetriebes ausgeführt. Auch bei der durch die Beklagten beschriebenen Verrichtung von Dämm- (Isolier-) Arbeiten an Landfahrzeugen gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt IV Nr. 3 VTV handele es sich um die Ausführung baugewerblicher Tätigkeiten. Das Erfordernis einer TÜV Zulassung resultiere daraus, dass die Tiny Houses auch mobil im Straßenverkehr unterwegs seien und dementsprechend straßenverkehrssicher sein müssten. Sobald die Tiny Houses aber auf ihren jeweiligen Standplätzen aufgestellt und angeschlossen seien, handele es sich bei ihnen um bauliche Anlagen und Gebäude im Sinne der Landesbauordnungen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 8.568,80 EUR zu zahlen.
Die Beklagten haben die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, ihr Betrieb sei in den streitgegenständlichen Zeiträumen nicht dem Geltungsbereich der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe unterfallen. Die Tiny Houses, die sie fertige, seien ausnahmslos durch den TÜV als Fahrzeuge bzw. Wohnanhänger abgenommen und würden zu keinem Zeitpunkt fest mit dem Erdboden verbunden...