Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Unterrichtung. Verwirkung. Widerspruchsrecht. Verwirkung der Widerspruchsrechts
Leitsatz (amtlich)
Die Ausübung des Widerspruchsrechtes nach § 613a Abs. 6 S. 1 BGB nach Ablauf der Monatsfrist wegen fehlerhafter Unterrichtung (§ 613a Abs. 5 BGB) ist verwirkt, wenn der Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess gegen den Betriebserwerber sich dahingehend vergleicht, dass kein Betriebsübergang und demzufolge kein Arbeitsverhältnis besteht.
Der Vorbehalt gleichwohl das Widerspruchsrecht gegenüber dem Betriebsveräußerer ausüben zu wollen, ist als Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens unbeachtlich.
Normenkette
BGB § 613 a Abs. 1, 5, § 613a Abs. 6 S. 1, § 242
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.12.2011; Aktenzeichen 4 Ca 3613/11) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 20. Dezember 2011 - 4 Ca 3613/11 - teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtstreits erster Instanz hat die Beklagte 1/3 und der Kläger 2/3 zu tragen. Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger war seit 15. November 1985 als Betriebsleiter, zuletzt auf der Grundlage des schriftlichen Anstellungsvertrages vom 27. April 1992, bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin beschäftigt. Der Kläger war zuletzt eingesetzt in der Kantine des Kunden A (A) am Standort B. Dort waren neben dem Kläger sieben weitere Arbeitnehmer eingesetzt. Der Kläger war Betriebsobmann. Sein Bruttomonatsgehalt betrug zuletzt € 3.438,40.
Mit Schreiben vom 12. November 2010 (Bl. 18-20 d.A.) informierte die Beklagte den Kläger über einen Betriebsübergang auf die C Catering B.V. & Co. KG zum 31. Dezember 2010. Der Betriebsübergang ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit Wirkung ab 1. Januar 2011 übernahm C die Bewirtschaftung der Kantine am Standort des Kunden A in B. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass C die Kantine unverändert in den gleichen Räumen unter Nutzung der bisherigen Betriebsmittel fortführte. Auch erfolgte keine Änderung des Betreiberkonzepts. C betreibt weiterhin, wie schon die Beklagte, eine Frischküche und bereitet Speisen unter unveränderter Nutzung der Küche zu. Diese werden unverändert im möblierten Speisesaal eingenommen.
Am 3. Januar 2011 bot der Kläger der C seine Arbeitsleistung in dem Betrieb in B an. Nachdem C die Weiterbeschäftigung verweigerte, erhob der Kläger am 26. Januar 2011 Klage gegen C und beantragte, festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe. Gleichzeitig verkündete er der Beklagten den Streit. Nach einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch C mit Schreiben vom 15. Februar 2011 stellte der Kläger klageerweiternd einen Kündigungsschutzantrag. Am 26. April 2011 wurde dieser Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich gem. § 278 Abs. 6 ZPO beendet. Die Parteien stimmten ausweislich des Beschlusses vom 26. April 2011 (Bl. 93 d.A.) einem schriftlichen Vergleichsvorschlag des Gerichtes vom 15. April 2011 zu. Der gerichtliche Vergleich lautet:
1. Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass kein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB vorliegt, dass das Arbeitsverhältnis demzufolge nicht auf die Beklagte übergegangen ist und auch sonst kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet wurde und somit nicht besteht.
2. Die Beklagte zahlt an den Kläger einen Betrag in Höhe von € 45.000,00. Etwaige hierauf entfallende Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sind vom Kläger zu tragen.
3. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle etwaigen wechselseitigen finanziellen Ansprüche zwischen den Parteien, gleich welcher Art und gleich, ob bei Abschluss dieses Vergleich bekannt oder unbekannt, erledigt und ausgeglichen. Dem Kläger bleibt die Geltendmachung des Widerspruchsrechts gem. § 613a Abs. 5 und 6 BGB gegenüber der Firma Eurest Deutschland GmbH vorbehalten.
4. Damit ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.
5. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Mit Anwaltsschreiben vom 5. Mai 2011 (Bl. 31, 32 d.A.) widersprach der Kläger dann dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf C und begehrte die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses von der Beklagten.
Zuvor hatte der Kläger am 4. Januar 2011 der Beklagten in der Niederlassung in E seine Arbeitsleistung angeboten. Mit Schreiben vom 4. Januar 2011 (Bl. 21 d.A.) begehrte der Kläger die schriftliche Bestätigung seitens der Beklagten, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht und er weiterbeschäftigt werde. Gleichzeitig behielt er sich etwaige Rechte bezüglich des Widerspruchs gegen den Betriebsübergang vor. Dies wiederholte der Kläger mit Schreiben vom 15. März 2011 (Bl. 26-28 d.A.).
Der Kläger erhob am 30. Mai 2011 Klage gegen die Beklagte auf Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses, auf Weiterbeschäftigung und auf ...