Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückweisung neuen Vortrags in der Berufungsverhandlung als verspätet. Bankettfräsarbeiten als baugewerbliche Arbeiten im Sinne des VTV Baugewerbe. Abgrenzung von Garten- und Landschaftsarbeiten von baugewerblichen Arbeiten in Anl. 37 Abs.4 Ziff. 3a SokaSiG. Keine Geltung des VTV Baugewerbe bei Unterhaltung von Außenanlagen des Verkehrsbegleitgrüns und der Straßenbankette
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob ein neues Vorbringen des Klägers, welches im Widerspruch zum Vortrag der Beklagten steht und mithin streitig ist, nach § 67 Abs. 2 oder 3 ArbGG zulassungsfähig gewesen wäre, bedarf keiner Entscheidung, da es schon nicht mit der Berufungsbegründungsschrift gehalten worden ist, § 67 Abs. 4 Satz 1 ArbGG. Weil auch die Voraussetzungen von § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG für die Zulassung neuen Vorbringens nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht vorliegen, konnte der neue Vortrag nicht zugelassen werden. Auch wenn gegenüber einem neuen Vorbringen keine aus § 67 Abs. 2 oder 3 ArbGG folgenden Zulässigkeitsbedenken bestehen, ist es vom Berufungskläger in der Berufungsbegründung vorzubringen, § 67 Abs. 4 Satz 1 ArbGG. Werden neue Angriffs- oder Verteidigungsmittel erst später vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn sie zeitlich nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist entstanden sind oder das verspätete Vorbringen nach der freien Überzeugung des Landesarbeitsgerichts die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder nicht auf einem Verschulden der Partei beruht, § 67 Abs. 4 Satz 2 ArbGG.
2. Hierbei ist das Landesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 15. Juni 2016 richtigerweise davon ausgegangen, dass es sich bei den Bankettabtragarbeiten um Tätigkeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 32 VTV handelt, da es Straßenbauarbeiten sind. Straßenbauarbeiten im tariflichen Sinne sind nicht nur solche Arbeiten, die unmittelbar zum Bau einer Straße gehören, sondern auch solche, die erforderlich sind, damit das Bauwerk Straße in vollem Umfang in der Lage ist, seinen bestimmungsgemäßen Zweck zu erfüllen. Da die Bankettfräsarbeiten die dauerhafte Funktionsfähigkeit der Straße sichern sollen, sind sie insoweit erforderlich. Zumindest gehören die Bankettfräsarbeiten zu den baulichen Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV, da sie der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das Bankett ist als Teil des Straßenkörpers Bestandteil des Bauwerks Straße. Auch hat das Landesarbeitsgericht die bauliche Prägung des Betriebs im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes angenommen.
3. Anlage 37 Abs. 4 Ziffer 3a zum SokaSiG bestimmt (soweit vorliegend von Bedeutung), dass sich die Rechtsnormen des SokaSiG nicht auf Betriebe ... mit Sitz im Inland erstrecken, die unmittelbar oder mittelbar Mitglied des Bundesverbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. sind, vom Bundesrahmentarifvertrag für gewerbliche Arbeitnehmer im Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau vom 20. Dezember 1995 erfasst werden und überwiegend folgende Tätigkeiten ausüben: Herstellen und Unterhalten ... des Verkehrsbegleitgrüns (Straßen, Schienenwege, Wasserstraßen, Flugplätze und Ähnliches) ..., wenn im Betrieb oder in der selbständigen Betriebsabteilung kalenderjährlich mindestens zu 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit Grünarbeiten ausgeführt werden.
4. Die von der Beklagten durchgeführten Bankettfräsarbeiten beinhalten regelmäßig auch das Einsähen von Grünbewuchs und das Vorbereiten der Einsaatflächen durch die Auflockerung des Bodens. Diese Tätigkeiten werden im Rahmen von Arbeiten zum Unterhalten von Außenanlagen des Verkehrsbegleitgrüns (hier: Straßenbankette) ausgeführt. Damit fallen bei der Unterhaltung des Banketts auch landschaftsgärtnerische Tätigkeiten (Grünarbeiten) an. Zudem ist zwischen den Parteien unstreitig, dass mindestens 20 v.H. der betrieblichen Gesamtarbeitszeit der Beklagten auf landschaftsgärtnerische Arbeiten (Grünarbeiten) durch die Baumpflegearbeiten entfallen. Diese werden nicht vom VTV erfasst.
Normenkette
VTV-Bau § 10; ArbGG § 67 Abs. 4; SokaSiG § 10; SokaSiG Anl. 37 Abs. 4 Nr. 3a; BRTV GaLabau Nr. 2.1 Fassung: 1995-12-20; VTV Bau § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 32
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 21.02.2018; Aktenzeichen 6 Ca 615/17) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 21. Februar 2018 - 6 Ca 615/17 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen an die Sozialkassen des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.
Die Beklagte unterhält...