Leitsatz (amtlich)

Die eigenmächtige Überweisung von Urlaubsabgeltung in Höhe von etwa DM 10.000,– im bestehenden Arbeitsverhältnis durch eine Prokuristin an sich selbst ist als Grund für eine fristlose Kündigung geeignet.

Die Aussetzung des Kündigungsschutzverfahrens nach § 148, solange über die Feststellung der Schwerbehinderung über einen Grad der Behinderung von 30 hinaus vor dem Sozialgericht noch gestritten wird, liegt im pflichtgemäßen des Arbeitsgerichts

 

Normenkette

BGB § 626; SchwbG §§ 21, 15; ZPO § 148

 

Verfahrensgang

ArbG Gießen (Urteil vom 19.02.1998; Aktenzeichen 2 Ca 244/97)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gießen vom 19. Februar 1998 – 2 Ca 244/97 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch zweitinstanzlich um die Wirksamkeit einer Kündigung.

Die Beklagte ist ein Unternehmen für Heizungs-, Lüftungs-, Klima-, Sanitär- und Elektrotechnik und beschäftigt etwa 20 Arbeitnehmer. Die Klägerin ist am 11. März 1952 geboren und 2 Personen zum Unterhalt verpflichtet. Zum 1. Juli 1980 stellte die Beklagte die Klägerin als Buchhalterin ein. Sie erhielt zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 7.000,– DM. Wegen der Tätigkeit der Klägerin wird auf die Aufgabenbeschreibung vom Mai 1996 (Bl. 105 ff. d. A.) verwiesen. Die Klägerin hatte Prokura. Diese wurde ihr auf der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 10. März 1997 entzogen.

Auf Ihren Antrag vom 1. März 1997 wurde der Klägerin durch Bescheid vom 25. Juni 1997 (Bl. 291, 292 d. A.) ein Grad der Behinderung von 30 % zuerkannt. Nach erfolglosem Widerspruch erhob die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht Gießen. Auf dessen Beweisanordnung vom 18. März 1999 wird verwiesen (Bl. 284 d. A.).

Im Anstellungsvertrag vom 19. Juni 1980 war ein Monatsgehalt der Klägerin in Höhe von 2.500,– DM brutto vereinbart. Ferner vereinbarten die Parteien, daß zur Abgeltung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld und sonstiger zusätzlicher Zahlungen ein 13. Monatsgehalt mit dem Novembergehalt ausgezahlt werde. Überstunden mußten von der Geschäftsleitung genehmigt werden und wurden mit einem Zuschlag von 25 % abgerechnet. Zum weiteren Inhalt des Anstellungsvertrags vom 19. Juni 1980 wird auf Bl. 41, 42 d. A. Bezug genommen. In der darauffolgenden Zeit veränderten die Parteien den Anstellungsvertrag mehrfach durch mündliche Absprachen. 1994 veranlaßte die Klägerin, die als Prokuristin der Beklagten über entsprechende Bankvollmacht verfügte, die Auszahlung folgende Beträge als Überstundenvergütung auf ihr Konto:

Januar 1994

7.940,00 DM brutto

April 1994

1.577.92 DM brutto

September 1994

1.530,90 DM brutto

Oktober 1994

1.020,60 DM brutto

Dezember 1994

5.307,50 DM brutto

März 1996

11.350,00 DM brutto

April 1996

3.474,00 DM brutto

Juni 1996

1.809,38 DM brutto

September 1996

2.916.50 DM brutto

Außerdem brachte die Kläger nachfolgende Beträge als Urlaubsabgeltung an sich zur Auszahlung.

November 1995

2.654,00 DM brutto

Mai 1996

1.451.25 DM brutto

August 1996

2.211,43 DM brutto

Januar 1997

9.799.44 DM brutto

.

In den Lohn- und Gehaltsabrechnungen 1995 und 1996 (Bl. 73, 75, 77 d. A.) ist dazu vermerkt: „Rückst. Urlaub”. Der Jahresurlaub der Klägerin wurde in der Vergangenheit wiederholt über den 31. März hinaus in das Folgejahr übertragen. Auf dem Urlaubsantrag vom 28. März 1995 (Bl. 74 d. A.) bat die Klägerin um Bestätigung von 16.5 Tagen Resturlaubs aus 1994. Dies geschah mit Handzeichen und dem Vermerk: „o.k.”. Ebenso wurde auf dem Urlaubsantrag vom 6. Febr. 1996 (Bl. 76 d. A.) wegen 22 Tagen Resturlaubs aus 1995 verfahren. Auch den Resturlaub von 28 Tagen aus 1996 erkannte der Geschäftsführer auf dem Urlaubsantrag vom 28. Jan. 1997 (Bl. 81 d. A.) durch seine Unterschrift an.

Die Geschäftsführer haben sich 1994 40 Tage Urlaub auszahlen lassen. Dies sieht § 8 des Geschäftsführervertrages vor, wenn der Geschäftsführer den Urlaub im laufenden Jahr aus zwingenden geschäftlichen Gründen nicht nehmen kann. Die Klägerin nahm die Auszahlungen auf Vorschlag der Mitarbeiterin B. vor, um ihr Urlaubsguthaben nicht weit über den Jahresurlaubsanspruch anwachsen zu lassen.

Nachdem sich die Klägerin seit dem Jahre 1994 mit dem Geschäftsführer H. D. in Verhandlungen über eine angemessene Gehaltserhöhung befunden hatte, gelang es ihr nach langwierigen Verhandlungen eine entsprechende Gehaltserhöhung am 1. Juli 1996 durchzusetzen. Seit 1996 und auch im Januar 1997 befand sich die Beklagte infolge von Auftragsrückgang in erheblichen Zahlungsschwierigkeiten. Die Geschäftsleitung führte daraufhin am Samstag, den 22. Februar 1997, gemeinsam mit einem beauftragten Steuerberaterbüro in Anwesenheit der Klägerin und des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten ein Gespräch darüber, wie die Firma weitergeführt werden könne. Dabei wurden auch die Alternativen der Anmeldung von Kurzarbeit oder des Konkurs und die Möglichkeiten der Sanierung der Beklagten erörtert.

Am darauffolgenden Montag, dem 24. Februar 1997. änderte die Klägerin ihre bereits für de...

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