Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollzeitbeschäftigter Lehrer, teilweise für den Betriebsrat pauschal freigestellte

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch auf Freistellung nach § 37 II BetrVG setzt voraus, daß die Betriebsratsaufgaben, für die „Freistellung” verlangt wird, noch nicht ausgeführt sind.

2. „Freizeitausgleich” für bereits geleistete Betriebsratstätigkeiten nach § 37 III BetrVG hat zeitnah zu erfolgen, um Störungen des Betriebsablaufes (und der Präsenz des Betriebsrates) durch zusammengesparte Ausgleichsansprüche infolge abwesender Betriebsräte zu verhindern.

3. Die „schulische Anwesenheitszeit” eines teilweise freigestellten Lehrers, für den von einem für Betriebsratssitzungen unterrichtsfrei gehaltenen Tag Stunden teilweise auf andere Unterrichtstage verlegt sind, kann nur pauschaldurchschnittlich ermittelt werden 6 AZR 569/85 (Weiterführung von BAG-Urt. v. 03.12.1987, NZA 88, 437–439).

 

Normenkette

BetrVG § 37

 

Verfahrensgang

ArbG Kassel (Urteil vom 21.12.1987; Aktenzeichen 7 Ca 212/86)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 21.12.1987 – 7 Ca 212/86 teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 2.134,70 brutto nebst 4% Zinsen seit 04.11.1986 zu zahlen.

Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 5/7, der Beklagte zu 2/7.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Freistellung von Unterrichtsstunden, hilfsweise Freizeitausgleich in Zeitstunden und höchst hilfsweise Mehrarbeitsvergütung für Stunden, die der Kläger in den Monaten August und September 1986 für notwendige Betriebsratsaufgaben außerhalb seiner geschuldeten Arbeitszeit aufgewandt haben will.

Der Beklagte betreibt unter anderen beruflichen Bildungszentren ein Bildungszentrum in A. mit einer Außenstelle in W., in dem hauptsächlich Deutschkurse und Abiturkurse für junge ausländische Einwanderer erbracht werden. Dort sind zwischen 40 und 50 Mitarbeiter tätig, überwiegend als Lehrer.

Der Kläger wohnt in K. und ist in A. als Lehrer für Deutsch und Gemeinschaftskunde mit 24 Unterrichtsstunden a 45 Minuten wöchentlich = 40 Zeitstunden angestellt und erhielt dafür im Klagezeitraum DM 4.601,20 brutto monatlich. Der Kläger ist Vorsitzender des fünfköpfigen örtlichen Betriebsrates in A. und gehört dem Gesamtbetriebsrat des Beklagen an. Dieser hat auf Grund eines Prozeßvergleiches vor dem LAG Ffm in einem Beschlußverfahren über die Notwendigkeit eines Wirtschaftsausschusses oder das Vorliegen eines Tendenzbetriebes einen Ausschuß gebildet, dessen Vorsitzender der Kläger ist und dem der Beklagte nur Unterrichtung in wirtschaftlicher Hinsicht schuldet.

Zwischen den Parteien war befristet bis zum 31.8.1984 vereinbart, daß dem Kläger für Betriebsratsaufgaben eine pauschale Freistellung von 3 Unterrichtsstunden wöchentlich gewährt wurde. Auf eine Anschlußvereinbarung konnten sich die Parteien nicht mehr einigen. Defacto stellte der Beklagte sicher, daß alle Betriebsratsmitglieder mittwochs von Unterrichtspflichten frei gehalten wurden, um dann Betriebsratssitzungen durchführen zu können. Die regelmäßige tatsächliche Unterrichtsverpflichtung des Klägers wurde mit Rücksicht auf seine Betriebsratsaufgaben auf 19 Wochenstunden beschränkt. Hinzu kamen mit dem Stundenplan geplante Freistunden und konkrete Unterrichtsausfälle wegen anstehender, vor allem auswärtiger Betriebsratstätigkeiten.

In A. begann die regelmäßige Unterrichtszeit um 8.00 Uhr, vormittags lagen Unterrichtspausen von insgesamt 0,5 Zeitstunden und die Samstage waren in der Regel allgemein unterrichtsfrei – ausgenommen in den 4- bis 5-monatigen Intensivphasen vor Abschlußprüfungen.

Ab 20.8.1986 kündigte der Kläger formularmäßig dem Beklagten in etwa wöchentlichen Abständen an, er sei vom Betriebstat mit konkret bezeichneten Aufgaben betraut worden, die eine geschätzte bestimmte Stundenzahl beanspruchen würden und denen er innerhalb seiner Arbeitszeit nicht nachkommen könne. Er bat „bis morgen” um Mitteilung, ob und wann er diese Aufgaben in seiner Unterrichtszeit einschließlich zugehöriger Vor- und Nachbereitungszeiten erledigen solle. Das Formular endet mit dem Satz:

„Sollte ich von Ihnen bis morgen keinen Bescheid i.o.S. erhalten haben, gehe ich davon aus, daß ich die angeführten Betriebsratstätigkeiten außerhalb meiner regulären Arbeitszeit durchführen soll.”

Auf den Wortlaut dieser Anzeigen (Bl. 5–8 d.A.) wird verwiesen.

In der Folgezeit stellte der Kläger formularmäßig alle anfallenden Betriebsrats-Tätigkeiten – erstmals unter dem 25.8.1986 – zusammen und beantragte bei dem Beklagten deren Vergütung als Überstunden (= Bl. 9–15 d.A.). Unter dem 8.9.1986 lehnte der Beklagte die Abgeltung weiterer Überstunden ab und verwies den Kläger auf die ihm gewährten Freistellungszeiten (= Bl. 260 d.A.), deren in zeitlicher Hinsicht unstreitiger Umfang sich aus der tabellarischen Aufstellung des Beklagten (= Bl. 73 d. A.) im einzelnen ergibt.

Der Kläger hat seine für Betriebsratszwecke im Klagezeitraum ...

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