Entscheidungsstichwort (Thema)
Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes im Wege einer behinderungsgerechten Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
Steht fest, dass ein schwerbehinderter Mensch die ihm zugewiesenen Tätigkeiten nicht mehr wahrnehmen kann und sieht die Arbeitgeberin trotzdem davon ab, dem Beschäftigten eine behinderungsgerechte Beschäftigung zuzuweisen, so kann den gesteigerten Fürsorgepflichten gegenüber schwerbehinderten Menschen - wie sie in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG i.V.m. § 81 Abs. 3 und 4 SGB IX Ausdruck gefunden haben - nur dadurch Rechnung getragen werden, dass dem schwerbehinderten Beschäftigten ein unmittelbar klagbarer Anspruch auf eine seiner Meinung nach konkrete behinderungsgerechte Beschäftigung eingeräumt wird.
Normenkette
SGB IX § 81 Abs. 3-4
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 02.03.2010; Aktenzeichen 12 Ca 8114/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Frankfurt am Main vom 02. März 2010, Az: 12 Ca 8114/09 abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Personalfahrer zu beschäftigen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger im Wege einer behinderungsgerechten Beschäftigung einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen.
Der am xx. xx 19xx geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit dem 20. Juli 1992 bei der Beklagten beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 21. Juli 1992, nach dem der Kläger als Flugzeugabfertiger eingestellt worden ist. Wegen der weiteren Einzelheiten des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 7 - 8 d. A. Bezug genommen. In den Jahren 2000 und 2004 erlitt der Kläger zwei Arbeitsunfälle (vgl. Unfallanzeigen vom 17. August 2000 und 09. November 2004, Bl. 198 - 199 d. A.). Der Kläger ist mittlerweile behindert mit einem Grad der Behinderung von 60 (vgl. Bescheid A vom 02. Juni 2010, Bl. 196 d. A.). Der Kläger erhält eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 5, Stufe 6 TVöD, die sich bei Klageerhebung auf Euro 2.801,01 belief. Zumindest bis zum Jahre 2002 war der Kläger für die Beklagte ausschließlich als Flugzeugabfertiger tätig. Nachdem der Kläger gesundheitliche Probleme bekam, nahm er vorübergehend die Aufgaben eines Personalfahrers wahr. In dieser Funktion war er damit befasst, Beschäftigte der Beklagten von einem Ort auf dem Flughafengelände zu einem anderen zu transportieren. Seit Sommer 2008 führt der Kläger in der Organisationseinheit BVD-RL 3 Aufräum- und Reinigungstätigkeiten durch. Diese Aufgaben nimmt der Kläger auch außerhalb von geschlossenen Räumlichkeiten wahr. Nachdem sich der Kläger im Jahr 2008 gerichtlich gegen diese Form der Beschäftigung gewehrt hatte, fand am 22. April 2009 als so genannter "Runder Tisch" ein betriebliches Eingliederungsmanagement gemäß § 84 SGB IX statt. Im Rahmen dieses "Runden Tisches" kam man zu dem Ergebnis, dass der Kläger mit Aufräum- bzw. Reinigungstätigkeiten "leidensgerecht" beschäftigt werde. Am 3. Juni 2009 und am 15. September 2009 unterzog sich der Kläger zwei so genannten "Arbeitsplatzspezifischen Untersuchungen". Der Betriebsarzt der Beklagten kam dabei u.a. zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Klägers kein Zurücklegen größerer Wegstrecken (Untersuchung vom 03. Juni 2009, Bl. 9 d. A.) bzw. kein Heben und Tragen von Lasten (Untersuchung vom 15. September 2009, Bl. 33 d. A.) umfassen sollte. Fahrerische Tätigkeiten wurden in beiden Untersuchungsberichten ausdrücklich für möglich erklärt. Ein weiterer "Runder Tisch" fand am 02. Dezember 2009 statt. Unter dem Datum des 15. Dezember 2009 kam der Facharzt für Orthopädie Dr. B in einem fachärztlichen Befundbericht u. a. zu dem Ergebnis, dass Tätigkeiten bei Nässe, Kälte und Feuchtigkeit vermieden werden sollten (Bl. 96 d. A.).
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Zuweisung eines behinderungsgerechten Arbeitsplatzes. Dieser bestehe vorzugsweise in einer Tätigkeit als Personalfahrer, hilfsweise in einer Beschäftigung mit fahrerischen Tätigkeiten, höchst hilfsweise in einer Beschäftigung in der Abteilung BVD-BD oder in der Dienststelle FBA-AT 3. Der Kläger behauptet, bei den von ihm auszuführenden Reinigungs- und Aufräumtätigkeiten handele es sich um körperlich schwere Arbeiten. Es seien längere Strecken zu laufen und häufig gebe es keine Gelegenheit, sich hinzusetzen. Auch seien die ihm übertragenen Aufräum- und Reinigungsarbeiten bei Nässe, Kälte und Feuchtigkeit auszuführen und mit dem oftmaligen Heben, Tragen oder Bewegen schwererer Gewichte oder Lasten über 7,5 kg verbunden. Weiterhin sei die Beklagte aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz verpflichtet, ihm einen der vorgenannten Arbeitsplätze zu zuweisen, da sie allein im Zeitraum von Juni 2009 bis Januar 2010 insg. rund 30 leistungsgeminderte Beschäftigte auf sog...