keine Angaben zur Rechtskraft
Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschlechterung. Beihilfeanspruch. Betriebsrentner. Betriebsvereinbarung. Freifahrtberechtigung. Ausgliederung. Verkehrsbetrieb. Jeweiligkeitsklausel
Leitsatz (amtlich)
Unwirksame Abänderung des Beihilfeanspruchs der Betriebsrentner. Jeweiligkeitsklausel deckt nicht erstmalige Verschlechterung des Beihilfeanspruchs der Betriebsrentner im Verhältnis zu den noch aktiven Arbeitnehmern, deren Ansprüche bis zur Änderung mit denen der Rentner identisch waren.
Freifahrtberechtigung für Betriebsrentner ist Leistung der betrieblichen Altersversorgung. 5 Jahre nach Ausgliederung des Betriebsteils „Verkehr” aus dem Unternehmen kann nicht Beteiligung an Kosten einer Jahresfahrkarte in Höhe von 30% von Betriebsrentnern – nicht von den aktiven Arbeitnehmern -verlangt werden, wenn diese nach Ausgliederung zunächst 2 Jahre lang kostenlos befördert wurden und danach kostenfrei eine beschränkte Jahresfahrkarte erhielten.
Normenkette
BetrVG § 77
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 25.07.2006; Aktenzeichen 8 Ca 24/06) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten wird als unzulässig verworfen.
Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung im Übrigen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 25. Juli 2006 – 8 Ca 24/06 – teilweise abgeändert und klarstellend insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 465,50 EUR Zug um Zug gegen Vorlage einer auf ihn lautenden Quittung über den Erwerb einer 9-Uhr-„Jahresfahrkarte” für das Tarifgebiet 65 A zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger und seiner Ehefrau Beihilfe nach den Bestimmungen der Betriebsvereinbarung „Beihilfe” vom 24. Mai 2000 zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 6%, die Beklagte 94% zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Gewährung von Beihilfe und einer Freifahrtberechtigung an ehemalige Beschäftigte.
Die Beklagte ist ein Energieversorgungsunternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Sie ist in ihrer heutigen Struktur aus der Stadtwerke B AG hervorgegangen. Bei ihr ist ein Betriebsrat gebildet.Aus der Beklagten wurden rückwirkend im Jahr 2000 die Verkehrsbetriebe ausgegliedert und in die C Verkehrsgesellschaft mbH eingebracht. Wegen der Ausgliederungsvereinbarung wird auf den notariellen Ausgliederungs- und Übernahmevertrag vom 29. August 2000 verwiesen (Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 04.06.2007, Bl. 281 – 286 d.A.).
In Zusammenhang mit der Ausgliederung wurde am 10. Juni 2002 die Betriebsvereinbarung „Umstrukturierungsprozesse” geschlossen (vgl. Kopie als Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 28.03.2006, Bl. 28 – 32 d.A.). Unter § 6 Abs. 6 der Betriebsvereinbarung ist bestimmt:
„6. Es besteht Einvernehmen, dass die in Jahrzehnten gewachsenen betrieblichen Sozialleistungen erhalten bleiben.”
Die Stadtwerke B AG, die jetzige Beklagte, firmierte nach der Ausgliederung in C Versorgungs AG um. Die Aktien der Beklagten werden zu 50,64% von der B Versorgungs- und Verkehrsholding GmbH gehalten. Deren Geschäftsanteile befinden sich zu 100% im Besitz der Landeshauptstadt B. Der restliche Aktienanteil der Beklagten wird von der D AG gehalten.
Auch bei der C Verkehrsgesellschaft mbH ist die Stadt B über die B Versorgungs- und Verkehrsholding GmbH Mehrheitsgesellschafterin.
Der am 02. Juni 1934 geborene, verheiratete Kläger war in der Zeit vom 01. April 1949 bis zum 30. Juni 1993 Beschäftigter der Stadtwerke B AG. Er war zuletzt als Leiter des internen Kontrollwesens tätig. Der Kläger schloss unter dem 23. Dezember 1992 mit der Stadtwerke B AG eine Vereinbarung, nach der das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1993 beendet wurde. § 2 der Regelung lautet wie folgt:
„Herr E behält seinen Anspruch auf alle Vergünstigungen, die er durch den Eintritt in den Ruhestand mit Vollendung des 63. Lebensjahres erworben hätte (Beihilfen, Fahrausweise, Tankberechtigung, Betriebsgemeinschaft).”
Im Übrigen wird zur Wiedergabe des Inhalts dieser Vereinbarung auf die Anlage zur Klageschrift (Bl. 7 d.A.) Bezug genommen.
Beihilfe:
Die Stadtwerke B AG gewährte ihren aktiven und ehemaligen Mitarbeitern sowie unter bestimmten Voraussetzungen deren Familienangehörigen Beihilfeleistungen im Krankheits-, Geburts- und Todesfall. Hierüber wurden seit 06. Februar 1964 einander ablösende Betriebsvereinbarungen geschlossen. Der Kläger beantragte und erhielt zuletzt Beihilfe nach den Voraussetzungen der Betriebsvereinbarung Beihilfe vom 24. Mai 2000 (folgend: BV Beihilfe 2000). Nach dem Inhalt der BV Beihilfe 2000 hatten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Pensionärinnen und Pensionäre der Stadtwerke B AG Anspruch auf Beihilfen nach der Hessischen Beihilfenverordnung (HBeihVO) in der jeweils geltenden Fassung, soweit durch die Betriebsvereinbarung selbst ni...