Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifgebundenheit. OT-Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. Verbandszugehörigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Kommt als Rechtsgrundlage für das Klagebegehren eines tarifgebundenen Arbeitnehmers allein ein Anspruch nach Tarifrecht in Betracht und ist der Arbeitgeber entsprechend einer derartigen Satzungsbestimmung des Arbeigeberverbandes Mitglied dieses Verbandes „ohne Tarifbindung” (OT-Mitgliedschaft), so ist eine Aussetzung des Rechtsstreits nach § 97 Abs. 5 ArbGG nicht geboten.
(Abweichung von BAG 23.10.1996 – 4 AZR 409/95 (A) AP Nr. 15 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit)
Ein Anspruch kraft Tarifrechts scheidet in einem derartigen Fall aus. Hält man eine OT-Mitgliedschaft für zulässig, so fehlt es an der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers; hält man sie für unzulässig, so ist der Arbeitgeber niemals wirksam Mitglied des Arbeitgeberverbandes geworden.
2. Die Tarifgebundenheit eines Arbeitgebers kraft Rechtsscheins setzt einen vom Arbeitgeber gesetzten Rechtsscheinstatbestand voraus. Der Erwerb einer OT-Mitgliedschaft begründet – auch wenn man eine entsprechende Satzungsbestimmung für unwirksam hält – keinen Rechtsschein einer Tarifgebundenheit.
Normenkette
TVG § 3; ArbGG § 97 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 20.02.1997; Aktenzeichen 3 Ca 956/95) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Kassel vom 20. Februar 1997 – 3 Ca 956/95 – teilweise – unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.063,00 DM (i. W. Achttausendunddreiundsechzig 00/100 Deutsche Mark) brutto nebst 4 % Zinsen aus dem entsprechenden Nettobetrag seit dem 05. Januar 1996 zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 21/25, die Beklagte 4/25 zu tragen.
Für den Kläger wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um vergütungsansprüche des Klägers.
Der am … 32 geborene Kläger, Mitglied der Gewerkschaft ÖTV, war vom 01.06.1986 bis 31.10.1996 bei der Beklagten, die ein Sanatorium mit ca. 200 Arbeitnehmern betreibt, als Nachtwache beschäftigt.
Mit schreiben vom 04.08.1987 (Bl. 377 d.A.) an den verband der privaten Krankenanstalten in Hessen e.V. (künftig: verband), der Mitglied des Bundesverbandes Deutscher Privatkrankenanstalten ist und von dem mit der Gewerkschaft ÖTV Lohn- und Gehaltstarifverträge für die Arbeitnehmer in privaten Krankenanstalten abgeschlossen worden sind und abgeschlossen werden, unter anderem der Gehalts- und Lohntarifvertrag vom 29.03.1972 in der Fassung vom 13.02.1989 (künftig: GLTV), bat die Beklagte „um Aufnähme in außerordentlicher Mitgliedschaft” in den verband. Am 24.08.1987 entschied der vorstand des Verbandes positiv über den Aufnahmeantrag der Beklagten.
Die Satzung des Verbandes vom 27.03.1983, zuletzt in der Fassung vom 04.04.1992, enthält in § 4 folgende Bestimmung:
§ 4 – Mitglieder
(1) ordentliche Mitglieder des Verbandes können alle Inhaber einer Privatkrankenanstalt (Akutkrankenhaus, Kurklinik oder Sonderkrankenhaus in privater Trägerschaft) in Hessen werden. Die Krankenanstalt muß nach den gesetzlichen Regelungen konzessioniert sein oder die Konzessionierung beantragt haben. Wird eine Privatkrankenanstalt als Gesellschaft des Handelsrechts geführt, wird sie durch den im Gesetz vorgesehenen vertretungsberechtigten vertreten.
(2) Außerordentliche Mitglieder des Verbandes können alle Inhaber von Privatkrankenanstalten in Hessen werden, bei denen die Voraussetzungen des Aus. 1 gegeben sind. Sie haben die gleichen Rechte und Pflichten wie ordentliche Mitglieder, unterliegen jedoch nicht der Bindung in die vom verband oder dem Bundesverband ausgehandelten Tarifverträge. Jedes Mitglied kann jederzeit durch eingeschriebenen Brief gegenüber der Geschäftsstelle rechtsverbindlich erklären, daß es außerordentliches Mitglied des Verbandes sein will. In der Erklärung ist der Termin zu bezeichnen, zu dem die außerordentliche Mitgliedschaft wirksam werden soll. Sie ist vom verband schriftlich zu bestätigen.
(3) Außerordentliche Mitglieder können jederzeit ihre ordentliche Mitgliedschaft erklären. Absatz 2 gilt sinngemäß.
Im übrigen wird hinsichtlich des genauen Wortlauts der Satzung vom 27.03.1983 auf Bl. 380 – 388 und der Satzung in der Fassung vom 04.04.1992 auf Bl. 389 – 397 d.A. Bezug genommen.
Mit schreiben vom 05.06.1990 teilte der damalige Geschäftsführer der Beklagten durch Rundschreiben sämtlichen Mitarbeitern u. a. mit, es würden mit sämtlichen Mitarbeitern neue Arbeitsverträge nach dem Tarifvertrag für Arbeitnehmer in privaten Krankenanstalten abgeschlossen, weiter heißt es in diesem schreiben u. a.:
„Es ist nicht leicht, es jedem Mitarbeiter recht zu machen, was die Eingruppierung in die Lohngruppen betrifft. Ich möchte aber noch einmal eindeutig feststellen, daß die Eingliederung in die Lohngruppen nach Kriterien und Tätigkeitsmerkmalen erfolgte, die...