Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Entscheidung über die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Betriebsveräußerer. Dispositionsfreiheit hinsichtlich eines Betriebsübergangs bzw. eines Arbeitgeberwechsels

 

Leitsatz (amtlich)

Der Erfolg im Kündigungsschutzprozess setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Kündigung ein Arbeitsverhältnis besteht. Die Kündigung eines Betriebsveräußerers nach Betriebsübergang geht zwar mangels bestehenden Arbeitsverhältnisses ins Leere, eine gleichwohl erhobene Kündigungsschutzklage ist aber unbegründet.

Dem Übergang eines Kindergartenbetriebs steht es nicht entgegen, dass ein Arbeitgeberwechsel nicht stattfinden sollte, wenn das Personal dem neuen Betreiber gestellt und das Weisungsrecht übertragen wird.

Die Vereinbarung zwischen dem alten und dem neuen Betreiber, dass ein Arbeitgeberwechsel nicht stattfinden soll, ist wegen Verstoßes gegen § 613 a BGB unwirksam (§ 134 BGB).

 

Normenkette

BGB § 613 a; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 27.10.2011; Aktenzeichen 5/9 Ca 1688/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.03.2014; Aktenzeichen 8 AZR 1/13)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 27.10.2011 - 5/9 Ca 1688/11 - abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Die beklagte Gemeinde war bis zum 31. Dezember 2010 Trägerin der Kindertagesstätten A, B und C. Die Klägerin, die am D geboren und verheiratet ist, trat am 1. September 1987 in die Dienste der Beklagten ein. Nachdem sie zunächst aufgrund befristeter Arbeitsverträge beschäftigt worden war, wurde sie mit Arbeitsvertrag vom 17. Juli 1989 unbefristet als Erzieherin für die Kindertagesstätte A eingestellt. Mit Schreiben vom 24. Februar 1992 übertrug die Beklagte der Klägerin die kommissarische Leitung der Kindertagesstätte A, die über 60 Betreuungsplätze verfügt und in der neben der Leiterin vier Erzieherinnen beschäftigt sind. Am 15. Februar 2002 wurde die Klägerin zur Leiterin der Kindertagesstätte A bestellt. Aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme galt für das Arbeitsverhältnis zuletzt der TVöD. Die Klägerin erhielt auf Grundlage ihrer Eingruppierung in die Entgeltgruppe 9 ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.060 Euro.

Mit Schreiben vom 14. August 2009 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin außerordentlich und bot ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als Erzieherin in der Kindertagesstätte C unter Beibehaltung der bisherigen Vergütung an. Die gegen die Änderungskündigung gerichtete Klage der Klägerin, die das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung angenommen hatte, war erfolgreich. Das Arbeitsgericht Wiesbaden stellte mit Urteil vom 3. Dezember 2009 - 9 Ca 1162/09 - fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Änderungskündigung vom 14. August 2009 unwirksam ist. Die Berufung der Beklagten wurde vom Hessischen Landesarbeitsgericht durch Urteil vom 29. Oktober 2010 - 19 Sa 275/10 - zurückgewiesen. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision wies das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 7. Juli 2011 - 2 AZN 392/11 - zurück.

Mit Wirkung zum 1. Januar 2011 übernahm der E, Landesverband Hessen e. V., (im Folgenden: E) den Betrieb der Kindertagesstätten gemäß den Regelungen des Betreibervertrags vom 16. November 2010. Dieser Betreibervertrag enthält auszugsweise folgende Regelungen:

§ 1

(1) Der E wird mit Laufzeitbeginn dieses Vertrages - im Auftrag der Gemeinde - die nachfolgend aufgeführten Kindertagesstätten in eigener Zuständigkeit betreiben:

1.Kita C

5 Gruppen, 83 Plätze, Öffnungszeiten vom 7:30 Uhr bis 16.00 Uhr

2.Kita B

5 Gruppen,110 Plätze,Öffnungszeiten vom 7:30 Uhr bis 16.00 Uhr

1.Kita A

3 Gruppen, 60 Plätze, Öffnungszeiten vom 7:30 Uhr bis 16.00 Uhr

Gruppenzahl, Platzkapazität und Öffnungszeiten werden nach Vertragsabschluss von der Gemeinde im Rahmen des festgestellten Bedarfsplans nach § 30 HKJGB bestimmt. ...

(2) Für die Dauer des Betreibervertrages überlässt die Gemeinde die Grundstücke und Gebäude der o. g. Kitas dem E zur kostenlosen Nutzung. Der E übernimmt im Gegenzug anstelle des Eigentümers die Verwaltung, Pflege und Instandhaltung der Liegenschaften nach der Maßgabe dieses Vertrages.

§ 2

(1) Der E verpflichtet sich, für die Laufzeit dieses Betreibervertrages, in den vorgenannten Kindertagesstätten ein den gesetzlichen Bestimmungen entsprechendes pädagogisches Betreuungsangebot vorzuhalten und die Kindertagesstätten einschließlich der Außenbereiche mit Spielgeräten ordnungsgemäß zu betreiben. Er verpflichtet sich, die Einrichtungen auf der Grundlage der jeweiligen Betriebserlaubnis und den geltenden einschlägigen Gesetzen und Rechtsvorschriften zu betreiben. Es gilt der jeweils von der Gemeinde festgestellte Bedarfsplan nach § 30 HKJGB. Der E beantragt für jede Einrichtung eine auf ihn lautende Betriebserl...

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