Entscheidungsstichwort (Thema)
Urlaubskassenverfahren. Dienstleistungsfreiheit. Schweiz
Leitsatz (redaktionell)
Die Erstreckung des Urlaubskassenverfahrens im Baugewerbe auf Unternehmen mit Sitz in der Schweiz begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Weder ist § 1 AEntG europarechtswidrig, noch verletzt die Norm Art. 3 Abs. 1 GG oder die negative Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG.
Normenkette
AEntG § 1 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 03.06.2004; Aktenzeichen 5 Ca 4198/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom3. Juni 2004 – 5 Ca 4198/02 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Urlaubskassenbeiträgen für die von ihm in der Zeit von Januar 1997 bis Juni 2002 in Deutschland beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV/Bau]; Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte ist italienischer Staatsbürger. Er unterhielt in den Jahren 1997 bis 2002 in … (Schweiz) ein Unternehmen, von dem arbeitszeitlich überwiegend von Arbeitnehmern des Beklagten zuvor geflochtener und gebogener Stahl in Form von Stahlmatten und -körben auf Baustellen verlegt wurde. Derartige Arbeiten führte der Beklagte in den Jahren 1997 bis 2002 auch auf Baustellen in der Bundesrepublik Deutschland durch aus der Schweiz nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer aus.
Mit seiner Klage vertritt der Kläger, der Betragsforderungen für 1997 und 1998 mit außergerichtlichen Schreiben vom 23. November 2001 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hat, die Ansicht, der Beklagte sei zur Zahlung von Beiträgen zum deutschen Urlaubskassenverfahren für die von ihm nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer verpflichtet.
Der Kläger hat vorgetragen, die gesetzlichen bzw. tariflichen Voraussetzungen für eine Teilnahmeverpflichtung des Beklagten seien gegeben. Auf Vorschriften des EG-Vertrages könne sich der Beklagte nicht berufen, weil dieser hinsichtlich der Dienstleistungsfreiheit nicht auf die Staatsbürgerschaft, sondern auf den Sitz des Unternehmens abstelle. Regelungen zwischen der Schweiz und der EG ständen einer Inanspruchnahme ebensowenig entgegen, wie sonstige Vorschriften. Mangels Auskunftserteilung durch den Beklagten errechne er seine Beitragsforderung aus den Meldungen der Beklagten gegenüber den Landesarbeitsämtern bzw. aus den Prüfberichten der Dienststellen der Zoll- und Arbeitsverwaltung über die Dauer der Beschäftigung der entsandten gewerblichen Arbeitnehmer, der wöchentlichen regelmäßigen tariflichen Arbeitszeit, dem tariflichen Mindestlohn und dem Beitragssatz für Urlaubskassenbeiträge sowie den Angaben des Beklagten im Rechtsstreit. Hinsichtlich einzelner vom Beklagten als nicht beschäftigt angegebener Arbeitnehmer könnten dessen Angaben freilich nicht zutreffen, weil diese Arbeitnehmer in der eigenen Aufstellung des Beklagten über beschäftige Arbeitnehmer genannt worden seien und ein Arbeitnehmer (A.B.) am 25. Mai 2000 von einer Prüfgruppe des Arbeitsamtes als Arbeitnehmer des Beklagten angetroffen worden sei. Hinsichtlich der Einzelheiten des Vortrages des Klägers zur Höhe der Klageforderung wird auf dessen Schriftsatz vom 30. Januar 2004 nebst Anlagen (Bl. 308 bis 377 d.A.) Bezug genommen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 311.753,48 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, die tarifvertraglichen Bestimmungen über Beitragsverpflichtungen für baugewerbliche Arbeitgeber mit Sitz im Ausland seien unwirksam. Insbesondere verstießen sie gegen das EG-Recht, auf das er sich als italienischer Staatsbürger auch berufen könne. Zudem stände das Abkommen zwischen der Schweiz und der EG seiner Inanspruchnahme entgegen. Im Verhältnis zwischen ihm und seinen Arbeitnehmern habe außerdem schweizerisches Recht gegolten, durch die Vorschriften des Schweizer Urlaubsrechts würden die Arbeitnehmer einem dem deutschen Urlaubsrecht vergleichbaren Schutz genießen. Darüber hinaus sei seine Inanspruchnahme rechtsmißbräuchlich, weil er seinerseits einen Anspruch auf Erstattungen gegenüber dem Kläger habe. Der Höhe nach sei der Klageanspruch ebensowenig berechtigt Maximal könne sich ein Anspruch in Höhe von EUR 304.642,08 ergeben, weil einige der vom Kläger genannten Arb...