Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechtigung des Arbeitgebers zur Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Umdeutung einer unzulässigen Berufung in eine unselbständige Anschlußberufung

2. Zum Problem des Zugangs durch Vermittlung eines Dritten

3. Kommen für die Besetzung eines Arbeitsplatzes nur Frauen in Betracht, so darf der Arbeitgeber nach einer Schwangerschaft fragen. Es bleibt offen, ob eine solche Frage auch dann gestellt werden darf, wenn der Arbeitsplatz gleichermaßen durch einen Mann besetzt werden kann,

 

Normenkette

BGB §§ 123, 130, 611a

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 01.03.1984; Aktenzeichen 2 Ca 666/82)

 

Tenor

Auf die unselbständige Anschlußberufung der Klägerin vom 23.8.1984 wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt a.M. vom 1.3.1984 – 2 Ca 666/82 – zur Klarsteilung abgeändert.

Das Versäumnisurteil vom 25.8.1983 wird mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Ablauf des 17.2.1983 (siebzehnter Februar neunzehnhundertdreiundachtzig) geendet hat.

Im übrigen wird die Anschlußberufung zurückgewiesen.

Die Berufung der Klägerin vom 9.7.1984 wird als unzulässig verworfen.

Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin neben den Kosten ihrer Säumnis im Termin vom 25.8.1983 2/3, der Beklagte 1/3.

Der Streitwert wird auf 4.425,– DM festgesetzt.

Das Rechtsmittel der Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen ab 1.9.1982 begründete Arbeitsverhältnis durch Anfechtung des Arbeitsvertrages durch den Beklagten aufgelöst worden ist

Der Beklagte betreibt eine Zahnarztpraxis, in der er in der Regel nicht mehr als 3 Angestellte (Zahnarzthelferinnen bzw. Sprechstundenhilfen) beschäftigt. Als er die Klägerin als Sprechstundenhilfe einstellte, war diese schwanger. (vgl. Bl. 24, 37 d.A.). Der Klägerin war dies bekannt; die vom Beklagten vor der Einstellung gestellte Frage nach de: Bestehen einer Schwangerschaft verneinte sie dennoch (s. Bl. 2, 25 d.A.).

Als der Beklagte der Klägerin unter dem 15.10.1982 die Kündigung aussprach (s. Bl. 4 d.A.), machte ihm die Klägerin mit Schreiben vom 28.10.1982 erstmals die Mitteilung, daß sie schwanger sei. (s. Bl. 18 d.A.). Das Schreiben des Beklagten vom 15.10.1982 ging der Klägerin am 19.10.1982, das Schreiben der Klägerin vom 28.10. 1982 ging dem Beklagten am 1.11.1982 zu (s. Bl. 102 d.A.).

Unter dem 11.11.1982 wandte sich der Beklagte wie aus Bl. 21-23 d.A. ersichtlich an das Gewerbeaufsichtsamt F. Das Gewerbeaufsichtsamt brachte der Klägerin den Inhalt der Eingabe des Beklagten vom 11.11.1982 mit Schreiben vom 29.11.1982 (s. Bl. 8 – 10 d.A.), zur Kenntnis. Die Mitteilung des Gewerbeaufsichtsamtes erreichte die Klägerin am 4.12.1982 (s. Bl. 76 d.A.); sie hat auszugsweise folgenden Inhalt:

… namens und im Auftrage meines Mandanten habe ich jedoch vorsorglich das befristet abgeschlossene Probearbeitsverhältnis wegen Täuschung anzufechten….”

Im Schriftsatz des Beklagten vom 7.2.1983 (s. Bl. 15 – 20 d.A.) hat dieser vorgetragen:

„Die in diesem Schreiben erklärte Anfechtung wegen Täuschung wird vorsorglich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich wiederholt…. „

Der Schriftsatz ist der Klägerin am 17.2.1983 zugegangen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil vom 25.8.1983 (s. Bl. 41 d.A.) abgewiesen. Gegen das der Klägerin am 5.9.1983 (s. Bl. 42 d.A.) zugestellte Versäumnisurteil hat sich diese durch Einspruch vom 25.8.1983 gewandt (s. Bl. 43 d.A.).

Die Klägerin hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 25.8.1983 aufzuheben und festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien fortbesteht.

Der Beklagte hat beantragt,

das Versäumnisurteil vom 25.8.1983 aufrechtzuerhalten.

Der Beklagte hat behauptet, mit der Klägerin sei ab 1.9.1982 ein auf 3 Monate befristetes Probe arbeitsverhältnis begründet worden. Er hat die Ansicht vertreten, das Arbeitsverhältnis sei jedenfalls mit Ablauf des 4.12.1982 beendet worden, da seine im Schreiben vom 11.11.1982 enthaltene Anfechtungserklärung durch Vermittlung des Gewerbeaufsichtsamtes am 4.12.1982 bei der Klägerin eingegangen sei. Zur Anfechtung sei er unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der arglistigen Täuschung berechtigt gewesen, da die Klägerin verpflichtet gewesen sei, seine Frage nach dem Bestehen einer Schwangerschaft wahrheitsgemäß zu beantworten. Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf Bl. 1-10, 15, 23-25, 34 – 39, 49 d.A. Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat das Versäumnisurteil vom 25.8.1983 „mit der Maßgabe aufrechterhalten, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem Zugang der Anfechtungserklärung im Schriftsatz vom 7.2.1983 geendet hat.” Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird ergänzend verwiesen (s. Bl. 51 – 57 d.A.). Gegen das der Klägerin am 7.6.1984, dem Beklagten am 8.6.1984 zugestellte Urteil (s. Bl. 58, 59 d.A.) wendet sich der Beklagte mit seiner am 6.7.1984, die Klägerin mit ihrer...

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