Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der erst in der Berufungsinstanz auf das SokaSiG gestützten Berufung einer Einzugsstelle für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe
Leitsatz (amtlich)
1. Mit der Berufung auf das SokaSiG hat der Kläger keinen neuen Streitgegenstand in den Rechtsstreit eingeführt.
2. Das SokaSiG ist verfassungskonform
Normenkette
ZPO §§ 260, 263; SokaSiG § 7
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 10.05.2016; Aktenzeichen 12/10 Ca 83/11) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 10. Mai 2016 - 12/10 Ca 83/11 - unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden wie Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 89.499,00 (in Worten: Neunundachtzigtausendvierhundertneunundneunzig und 0/100 Euro) zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu tragen.
Die Revision wird für die Beklagten zugelassen.
Die Revision wird für den Kläger nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren des Baugewerbes.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe - BRTV-Bau, Tarifvertrag für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe - VTV) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und Festbeiträge für angestellte Arbeitnehmer an den Kläger zu zahlen.
Die Beklagte zu 1. firmiert unter "A GmbH & Co. KG" und unterhält keine Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband. Bei der Beklagten zu 2. handelt es sich um ihre persönlich haftende Gesellschafterin.
Die Beklagte zu 1. wird von einem Schreinermeister geführt. Von ihren Beschäftigten werden mit einem zwischen den Parteien streitigen Anteil an der Gesamteinsatzzeit Holz- und Bodenbelagsarbeiten verrichtet. Die sie ausführenden Arbeitnehmer besitzen entweder eine Schreinerausbildung oder sind durch den Geschäftsführer angelernt worden. Jedenfalls im Jahr 2007 gehörte der Belegschaft auch ein(e) Angestellte(r) an. Beitragsmeldungen an den Kläger wurden für keines der streitigen Kalenderjahre eingereicht. Im Verlaufe des vorliegenden Verfahrens gab die Beklagte zu 1. die Jahreseinkünfte ihrer Mitarbeiter bekannt. Überdies teilte der Geschäftsführer in einem am 2. Januar 2009 ausgefüllten Stammblatt (Bl. 426 d.A.) mit, eine(n) Angestellte(n) zu beschäftigen. Auf dem Stammblatt des Klägers gab die Beklagte zu 1. zudem an, dass im Betrieb der Beklagten zu 1. zu 15 % Tischlerarbeiten, zu 15 % Heizung-Sanitär-Arbeiten, zu 15 % Maler- und Bodenlegearbeiten und zu 15 % Elektroarbeiten erbracht werden.
Der Kläger hat die Beklagten auf Zahlung von Mindestbeiträgen für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte zuletzt für den Zeitraum Januar 2007 bis April 2011 in Höhe von insgesamt Euro 92.544,00 in Anspruch genommen. Dabei ging der Kläger davon aus, dass die Beklagte zu 1. monatlich mindestens drei gewerbliche Arbeitnehmer und eine(n) Angestellte(n) (Zeitraum Januar 2007 bis Dezember 2009) beschäftigte.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Betrieb verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren im Baugewerbe teilzunehmen. Er hat behauptet, die im Betrieb der Beklagten zu 1. beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer hätten seit Beginn der betrieblichen Tätigkeit im August 2006 sowie im restlichen Kalenderjahr 2006 als auch jeweils in den Kalenderjahren 2007 bis 2011 arbeitszeitlich gesehen überwiegend, d.h. zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgemacht hätte, folgende Tätigkeiten erbracht: Renovierungs- und Instandhaltungsarbeiten an Gebäuden, nämlich Maurerarbeiten, Putzarbeiten, Trockenbauarbeiten, die Verlegung von Fliesen und Bodenplatten; darüber hinaus Maler- und Tapezierarbeiten, Gas-, Wasser- und Heizungsinstallationen sowie Dachdeckerarbeiten, jedoch zu deutlich weniger als 50 % der jeweiligen betrieblichen kalenderjährlichen Arbeitszeit. Keine der in § 1 Abs. 2 Abschnitt VII VTV normierten Tätigkeiten sei in den jeweiligen Kalenderjahren zu mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausgeführt worden.
Der Kläger hat seine Forderungen gegen die Beklagten ursprünglich durch Mahnbescheide vor dem Arbeitsgericht Wiesbaden wie folgt geltend gemacht: