keine Angaben zur Rechtskraft

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückzahlungsklausel. Rückforderung. Ausbildungsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. Rückforderung einer Ausbildungsgebühr

2. Zur Auslegung des Begriffs „einstellen” in § 19 BBiG a. F.

 

Normenkette

BGB § 817; BBiG a.F. § 19

 

Verfahrensgang

ArbG Hanau (Urteil vom 10.08.2005; Aktenzeichen 1 Ca 43/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.07.2007; Aktenzeichen 9 AZR 1031/06)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 10. August 2005 – 1 Ca 43/05 – abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 14.000,00 EUR (in Worten: Vierzehntausend und 00/100 Euro) zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 16. September 2004 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine vertragliche Beziehung im Sinne eines „Lehrlingsvertrages” besteht.

Die Klägerin hat vorab die durch die Anrufung des Landgerichts Hanau entstandenen Kosten zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Rückzahlung einer „Ausbildungsgebühr” sowie über den Fortbestand eines „Lehrlingsvertrages”.

Der Beklagte betreibt ein Tattoo- und Piercing-Studio. Die am 9. Juni 1970 geborene Klägerin trat Ende 2003 in Kontakt zu dem Beklagten, weil sie diese Tätigkeit erlernen wollte, um eine sog. Ich-AG zu gründen. Deshalb hatte sie sich bereits im November 2003 einen Gewerbeschein zur Ausübung der Tätigkeit als Tätowiererin besorgt. Die Parteien vereinbarten einen Lehrlingsvertrag, insoweit wird auf Bl. 22 d.A. Bezug genommen, über eine 12-monatige Ausbildung. Dieser enthält u.a. folgende Regelungen:

3. Der Lehrling steht in einem Ausbildungsverhältnis mit A Tattoo + Piercing. Der Lehrling darf nur das Erlernte unter Aufsicht und mit Einverständnis des Kunden ausüben. Die bei A Tattoo + Piercing gesehenen Arbeitsabläufe dürfen von Lehrling ohne abgeschlossene Ausbildung mit Zertifikat nicht ausgeübt werden.

9. Der Lehrling darf im Umkreis von fünfzig Kilometer von A Tattoo und Piercing keine selbständige oder anderweitig berufsbezogene Tätowier- oder Piercingarbeiten ohne schriftliches Einverständnis von A Tattoo + Piercing ausüben, sonst tritt Punkt 7. dieses Vertrages ein.

12. Die Ausbildungsgebühr in Höhe von EUR 14.000,00 (i.W.: vierzehntausend Euro), ist bei Antritt zur Ausbildung zu zahlen und beinhaltet die theoretische Ausbildung mit Lehrbüchern und Fachliteratur, praktische Ausbildung inklusive Verbrauchsmaterialien zu Übungszwecken; Dozent-Gebühren und die Erstanschaffung aller benötigten Geräte und Instrumente um nach Abschluss sofort selbständig arbeiten zu können.

In der Ausbildungsgebühr enthalten war Ausbildungsmaterial gemäß der Aufstellung Bl. 20, 21 d.A. im Wert von EUR 3.941,00 sowie Verbrauchsmaterialien für praktische Übungen, Fachliteratur, Tattoo-Vorlagen und EDV-Unterstützung für EUR 1.059,00.

Der Beklagte überreichte der Klägerin einen Ausbildungsplan (Bl. 18, 19 d.A.). Danach sollten 220 Stunden allgemeine medizinische Grundlagen, 40 Stunden spezielle Notfallmedizin, 20 Stunden Herz, Lungen, Wiederbelebung, 60 Stunden Berufs-, Gesetzes- und Staatsbürgerkunde sowie 30 Stunden praktische Schulung unterrichtet werden. Ferner war eine Praktikumszeit von 600 Stunden vorgesehen, während der 30 Fallberichte geschrieben werden sollten. Im Anschluss hieran sollte eine Prüfung abgelegt werden. Bei Bestehen der Prüfung sollte hierüber ein Zertifikat erteilt werden.

Nach erfolgter Zahlung der Ausbildungsgebühr nahm die Klägerin Ende März 2004 die Ausbildung auf. In der Folgezeit wurde sie vom Beklagten täglich etwa 4 Stunden in dessen Tattoo- und Piercing-Studio ausgebildet. Die zeitliche Lage der Ausbildung richtete sich nach den Wünschen der Klägerin, insbesondere danach, zu welchen Zeiten eine Betreuung ihres Kindes gewährleistet war.

Mit Schreiben vom 30. August 2004 (Bl. 27 – 30 d.A.) erklärte die Klägerin die Anfechtung des Lehrlingsvertrages wegen arglistiger Täuschung und verlangte die Rückzahlung der Ausbildungsgebühr bis spätestens 15. September 2004. Die Klägerin hat behauptet, der Beklagte habe sie durch falsche Angaben zum Abschluss des Lehrlingsvertrages veranlasst. Ferner seien die ihr übergebenen Tätowiermaschinen in mangelhaftem Zustand gewesen.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 14.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 16.09.2004 zu bezahlen;
  2. festzustellen, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten keine vertragliche Beziehung im Sinne eines „Lehrlingsvertrages” besteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat bestritten, die Klägerin bei Vertragsschluss arglistig getäuscht zu haben.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit dem Rechtsmittel der Berufung.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe ihr gesag...

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