Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährung. Annahmeverzugslohn. Bestandsschutzstreitigkeit. Verjährungshemmung durch Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Grundsätze für tarifliche Ausschlussfristen. Erheben von Hilfsanträgen
Leitsatz (amtlich)
Die Kündigungsschutzklage hemmt nicht die Verjährung des Vergütungsanspruchs. Die für tarifliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze sind nicht auf § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB zu übertragen. Das Erfordernis, eine auf Annahmeverzugslohn gerichtete Leistungs- oder Feststellungsklage ggfs. noch vor Abschluss der Bestandsschutzstreitigkeit zu erheben, verletzt den Arbeitnehmer nicht in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz, da der Arbeitnehmer sein Kostenrisiko begrenzen kann, indem er die Annahmeverzugslohnansprüche im Wege uneigentlicher Hilfsanträge verfolgt.
Leitsatz (redaktionell)
Eine Kündigungsschutzklage hemmt nicht die Verjährung des Vergütungsanspruchs. Die für tarifliche Ausschlussfristen geltenden Grundsätze sind nicht zu übertragen.
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 04.09.2012; Aktenzeichen 12 Ca 445/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 4. September 2012 - 12 Ca 445/11 - wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von Annahmeverzugslohn.
Zwischen dem beklagten Landkreis und dem Kläger bestand ab dem 1. Oktober 1990 ein Arbeitsverhältnis, das sich aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) richtete. Der Kläger erhielt zuletzt Vergütung nach Vergütungsgruppe III BAT in Höhe von 3.844,27 Euro brutto. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund ordentlicher Kündigung des Beklagten mit Wirkung zum 31. Dezember 2004. Zuvor hatte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. September 2003 außerordentlich fristlos gekündigt. Nachdem das Arbeitsgericht Limburg die gegen die außerordentliche Kündigung gerichtete Klage mit Urteil vom 1. September 2005 abgewiesen hatte, stellte das Hessische Landesarbeitsgericht mit Urteil vom 9. Februar 2007 - 3 Sa 383/06 - fest, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung des Beklagten vom 29. September 2003 aufgelöst worden ist. Das Urteil ist rechtskräftig.
Der Kläger erhielt bis zur Aufnahme eines neuen Arbeitsverhältnisses am 15. September 2004 Arbeitslosengeld in Höhe von 16.114,60 Euro netto, und zwar für folgende Zeiträume in folgender Höhe:
24.12.2003 - 31.12.2003 |
474,64 |
01.01.2004 - 31.01.2004 |
1.879,22 |
01.02.2004 - 29.02.2004 |
1.757,98 |
01.03.2004 - 31.03.2004 |
1.879,22 |
01.04.2004 - 30.04.2004 |
1.818,60 |
01.05.2004 - 31.05.2004 |
1.879,22 |
01.06.2004 - 30.06.2004 |
1.818,60 |
01.07.2004 - 31.07.2004 |
1.879,22 |
01.08.2004 - 31.08.2004 |
1.879,22 |
01.09.2004 - 14.09.2004 |
848,68 |
Am 9. Juli 2007 übersandte der Beklagte dem Kläger ein Schreiben, in dem es u.a. heißt:
"mit einiger Verwunderung haben wird zur Kenntnis genommen, dass Sie offensichtlich bei Herrn A noch nicht erfolgte Zahlungen seitens des Landkreises B beanstandet haben.
Dies verwundert insoweit, als eine Ermittlung des seitens des Landkreises an Sie noch zu leistenden Entgelts bislang mangels entsprechender Auskünfte nicht möglich war. Wir dürfen Sie insoweit auf die Vorschrift des § 11 KSchG aufmerksam machen. Diese lautet wie folgt:
...
Bislang haben wir im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens lediglich Kenntnis dahingehend erhalten, dass Sie offensichtlich zum 15. Oktober 2004 eine anderweitige Beschäftigung angetreten haben. Was Sie durch diese anderweitige Arbeit verdient haben, ist uns nicht bekannt.
Ebenso wenig bekannt ist uns - mangels entsprechender Erklärungen Ihrerseits -, ob Sie bereits vor Antritt der neuen Beschäftigung Einkünfte (z.B. aus einer Tätigkeit als selbständiger Architekt) erzielt haben. Auch hierzu fehlen uns jegliche Angaben bzw. Erklärungen Ihrerseits.
Wir stellen anheim, uns die erforderlichen Angaben nebst entsprechender Nachweise, wie z.B. geeignete Verdienstbescheinigungen, zukommen zu lassen, damit eine Abrechnung durchgeführt werden kann."
Aufgrund der Aufforderung der Bundesagentur für Arbeit durch Schreiben vom 14. November/18. Dezember 2007 erstattete der Beklagte dieser das an den Kläger geleistete Arbeitslosengeld in Höhe von 16.114,60 Euro. Die Überweisung wurde am 8. Januar 2008 aufgrund der Auszahlungsanordnung vom 31. Dezember 2007 vorgenommen. Gegenüber der Bundesagentur für Arbeit hatte der Beklagte am 20. Januar 2004 auf die Einrede eventueller arbeitsvertraglicher- oder tarifvertraglicher Ausschlussfristen verzichtet, nachdem die Bundesagentur für Arbeit dies zur Vermeidung eines Rechtsstreits angeregt hatte. Ferner zahlte der Beklagte im Juni 2008 auf die Beitragsrechnung der C Krankenkasse Sozialversicherungsbeiträge für den Kläger für die Zeit vom 1. Oktober 2003 bis 14. September 2004 in Höhe vo...