rechtskräftig
Leitsatz (amtlich)
1. Beim Günstigkeitsvergleich zwischen einer Urlaubsregelung im Einzelarbeitsvertrag und dem BurlG ist jede einzelne Regelung des Arbeitsvertrages der entsprechenden Regelung des BurlG gegenüberzustellen („Rosinentheorie”).
2. Die Beschäftigung eines Handlungsgehilfen auf reiner Provisionsbasis ist nicht automatisch sittenwidrig. Etwas anderes gilt dann, wenn ein durchschnittlicher Handlungsgehilfe bei normaler Arbeitsleistung keine für seinen Lebensunterhalt ausreichende Vergütung erzielen kann.
Normenkette
BUrlG § 7 IV, § 11; BurlG § 13 I; HGB §§ 65, 87a II
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.04.1991; Aktenzeichen 17 Ca 358/90) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/M. vom 24.04.1991 teilweise abgeändert.
Auf die Widerklage hin wird der Kläger verurteilt, an die Beklagte 3.120,– DM brutto nebst 4 Prozent Zinsen ab 18.01.1991 zu zahlen.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5 zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten aus dem beendeten Arbeitsverhältnis um Urlaubsabgeltung und im Rahmen einer Widerklage um die Rückzahlung einer Provision.
Der Kläger war bei der verklagten Immobiliengesellschaft vom 01.01. bis 30.06.1990 als Immobilienmakler angestellt. Es galt der Arbeitsvertrag vom 17.08.1989 (Bl. 4–8 d.A.). In Nr. 13 des Arbeitsvertrages war hinsichtlich des Urlaubs folgendes bestimmt:
„Herr K. – hat einen bezahlten Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen; die Samstage werden als Urlaubstage angerechnet. Berechnungsgrundlage für das Urlaubsentgelt ist das Provisionseinkommen – ohne Prämien und Sonderzahlungen – der letzten sechs Monate (: 180 Tage × 24 Tage).
Der Urlaub ist jeweils zwei Monate vorher schriftlich, Kurzurlaub mindestens eine Woche vorher schriftlich zu beantragen.
Anspruch auf Urlaubsentgelt entsteht bei ungekündigtem Arbeitsverhältnis erstmals nach einem und jedem weiteren vollen Jahr Firmenzugehörigkeit. Unabhängig vom Zeitpunkt und der Inanspruchnahme des Urlaubs wird das Urlaubsentgelt erstmals nach vollen zwölf Monaten Firmenzugehörigkeit und nach Ablauf jedes weiteren vollen Jahres der Betriebszugehörigkeit gezahlt. Bei Ausscheiden innerhalb von 3 Monaten nach Zahlung des Urlaubsgeldes ist das Urlaubsentgelt in voller Höhe zurückzuzahlen.”
Während des Arbeitsverhältnisses nahm der Kläger keinen Urlaub.
Die Beklagte zahlte dem Kläger im Januar 1990 DM 6.000,00 und in den beiden folgenden Monaten je DM 3.000,00 als Gehalt. In der Folgezeit war der Kläger im wesentlichen auf Provisionsbasis beschäftigt, von der kostenlosen Gewährung eines Dienstwagens auch zu privater Nutzung und von der Zahlung einer Kilometerpauschale abgesehen.
Der Kläger erhielt während des Arbeitsverhältnisses einen Bruttoverdienst von DM 25.715,36, davon DM 14.985,70 an Provisionen in den ersten 3 Monaten. Während der 3 letzten Monate erhielt der Kläger bis auf einen Betrag von DM 3.120,00 brutto für ein Geschäft mit dem Kunden Sch. keine Provision.
Der Kläger hat vorgetragen:
Die Beklagte schulde ihm an Urlaubsabgeltung für 12 Tage Urlaub DM 1.978,08 brutto. Soweit die Urlaubsregelung im Arbeitsvertrag ungünstiger sei als die gesetzliche Regelung, sei der Arbeitsvertrag wegen Verstoßes gegen den Unabdingbarkeitsgrundsatz nichtig.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 1.978,08 brutto nebst 4% Zinsen ab 01.07.1990 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen:
Nach der Regelung des Arbeitsvertrages fahre der Kläger bei seinem Urlaub besser als nach der gesetzlichen Regelung, weil ihm dann immerhin DM 994,04 brutto als Urlaubsabgeltung zuständen. Wendete man das Bundesurlaubsgesetz an, würde dem Kläger keine Urlaubsabgeltung zustehen, weil er in den letzten 13 Wochen vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses keinen Verdienst mehr erzielt habe. Der Kläger könne demgegenüber nicht auf den im Arbeitsvertrag vereinbarten Bezugs Zeitraum von 180 Tagen verweisen. Dies würde darauf hinauslaufen, daß der Kläger sich aus dem Arbeitsvertrag und dem Bundesurlaubsgesetz in unzulässiger Weise jeweils nur die ihm zusagenden Teile heraussuchen könnte.
Die Beklagte hat ferner Widerklage erhoben mit dem Antrag,
den Kläger zu verurteilen, an sie DM 2.120,95 brutto nebst 4% Zinsen seit Zustellung der Widerklage am 18.01.1991 zu zahlen.
Zur Begründung hat sie vorgetragen:
Der Kläger müsse die für das Geschäft Schladt erhaltene Provision zurückzahlen, weil der Kunde Sch. unstreitig nicht gezahlt habe. Der Scheck des Kunden sei unstreitig zu Protest gegangen.
Der Kläger hat beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
Er hat vorgetragen:
Er müßte die Provision im Falle Sch. allenfalls erstatten, wenn die Beklagte den Kunden verklagt hätte und die Zwangsvollstreckung fruchtlos gewesen wäre. Die Beklagte verhalte sich ferner ihm gegenüber widersprüchlich, was ihren Erstattungsanspruch ausschließe: Er habe vor dem Abschluß mit Sch. Bedenken gegen dessen ...