Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages. Übergang Arbeitsverhältnis auf Betriebserwerber. Dreiseitiger Vertrag und Wechsel in Beschäftigungsgesellschaft. Zur Unzulässigkeit der Teilanfechtung
Leitsatz (amtlich)
1. Durch den Abschluss eines dreiseitigen Vertrags wird § 613a BGB jedenfalls dann nicht umgangen, wenn dem Arbeitnehmer für den Fall eines Wechsels in eine Beschäftigungsgesellschaft die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Betriebserwerber nicht in Aussicht gestellt wird.
2. Eine Teilanfechtung des dreiseitigen Vertrags, die ausschließlich auf die Beseitigung der Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses gerichtet ist, ist ausgeschlossen.
Normenkette
BGB §§ 613a, 142, 123, 134
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 11.09.2012; Aktenzeichen 1 Ca 101/12) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 11.09.2012 - 1 Ca 101/12 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages, den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf einen Betriebserwerber, die Erteilung eines Zeugnisses sowie über Vergütungsansprüche.
Die klagende Partei war bei der M, einem Hersteller von Druckmaschinen für den industriellen Bereich, in deren Betrieb in O beschäftigt. Dort war ein Betriebsrat gebildet.
Mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 25. November 2011 wurde das vorläufige Insolvenzverfahren über deren Vermögen eröffnet und der Beklagte zu 1 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 1. Februar 2012 wurde über das Vermögen der M das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte zu 2 hat den Betrieb am 1.2.2012 erworben.
Am 23. Januar 2012 vereinbarten die Insolvenzschuldnerin mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters und der Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste. Aus dessen Präambel ergibt sich, dass bis zum Abschluss dieser Betriebsvereinbarung kein Kaufangebot vorlag, das die uneingeschränkte Übernahme des Betriebs in O vorsah und eine uneingeschränkte Übernahme des Betriebs im eröffneten Insolvenzverfahren aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist. Ferner hätten die vorhandenen Kaufinteressenten die Übernahme des Betriebs von der Durchführung einer tiefgreifenden Restrukturierung abhängig gemacht. In § 2 der Betriebsvereinbarung heißt es, dass im Zuge dieser betrieblichen Restrukturierung ein erheblicher Teil der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeiten ersatzlos wegfällt. Gemäß § 3 Abs. 1 Interessenausgleich ist beabsichtigt, den vom Wegfall ihrer Beschäftigungsmöglichkeit betroffenen Beschäftigten betriebsbedingt zum nächst möglichen Termin zu kündigen. Diesen Beschäftigten werde angeboten, ab 1. Februar 2012 auf der Grundlage der BV Auffangstrukturen vom 23. Januar 2012 in eine Transfergesellschaft überzutreten. Nach § 3 Abs. 2 Interessenausgleich wurde eine Sozialauswahl entsprechend den Vorgaben des Kündigungsschutzgesetzes nach Altersgruppen durchgeführt. Der Interessenausgleich enthält sodann eine Namensliste, die 957 zu kündigende Mitarbeiter -darunter die klagende Partei- aufführt.
Am 23. Januar 2012 fand eine außerordentliche Betriebsversammlung statt, wobei streitig ist, wer daran teilgenommen hat und was im Einzelnen besprochen wurde. Am Nachmittag des 24. Januar 2012 wurden unter den Beschäftigten Vordrucke eines "dreiseitigen Vertrages" verteilt und diesen eine Frist zur Unterzeichnung bis 30. Januar 2012, 10:00 Uhr, gesetzt.
Dort ist u.a. Folgendes geregelt:
§ 1 Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit M
(1) Das Arbeitsverhältnis zwischen M und dem Arbeitnehmer wird auf Veranlassung von M aus betrieblichen Gründen zum Ablauf 31. Januar 2012, 24 Uhr einvernehmlich beendet.
§ 2 Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit der P
1 Laufzeit des befristeten Arbeitsverhältnisses
(1) Der Arbeitnehmer wird ab dem 1. Februar 2012, 0:00 Uhr bis zum Ablauf des 31. Juli 2012 in die bei der P gem. § 216b SGB II gebildete "betriebsorganisatorisch eigenständige Einheit" eingestellt. Das Arbeitsverhältnis endet automatisch mit Ablauf der Befristung, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf. (...)
Die klagende Partei unterzeichnete den dreiseitigen Vertrag innerhalb der ihr gesetzten Frist.
Im Anschluss an die Aushändigung des "dreiseitigen Vertrags" fand am 24. Januar 2012 um 18:00 Uhr eine Informationsveranstaltung der P statt, wobei wiederum streitig ist, wer, was im Einzelnen gesagt hat.
Mit Schreiben vom 16. April 2012 erklärte der Prozessbevollmächtigte der klagenden Partei gegenüber dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1 (Insolvenzverwalter) gemäß § 123 BGB die Anfechtung der Willenserklärung der klagenden Partei, die zum Abschluss des Aufhebungsvertrages geführt hat. Eine entsprechende Erklärung gab er auch gegenüber der P ab, wobei er dieser gegenüber noch Folgendes erklärte: "Ich will an dieser Stelle der ...