Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung Betriebsübernehmer und Insolvenz. Masse- oder Insolvenzforderung. Zahlungsforderung als Leistung mit Entgeltcharakter. Abfindung als Entgelt und Insolvenzeröffnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der Insolvenz haftet der Betriebsübernehmer nur für die ab der Insolvenzeröffnung entstandenen Masseforderungen. Für die Einordnung als Masse- oder Insolvenzforderung ist entscheidend, ob es sich bei der Zahlungsforderung des Arbeitnehmers um eine Leistung mit Entgeltcharakter handelt.

2. Wird in einem Altersteilzeitvertrag eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes vereinbart, so dient diese der Kompensation des Versorgungsnachteils des Arbeitnehmers und stellt in der Regel kein Entgelt für nach der Insolvenzeröffnung erbrachte Arbeitsleistungen dar.

 

Normenkette

BGB § 613a Abs. 1 S. 1, Abs. 2; InsO § 55 Abs. 1 Nr. 2, § 108 Abs. 3, § 38; KSchG §§ 9-10

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 01.10.2012; Aktenzeichen 6 Ca 154/12)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung.

Der 62 Jahre alte Kläger war seit 1986 bei der M, einem Hersteller von Druckmaschinen für den industriellen Bereich, in deren Betrieb in O beschäftigt.

Am 27. April 2006 vereinbarte er mit seinem Arbeitgeber einen Altersteilzeitvertrag, wonach er sich vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2012 in Altersteilzeit befindet; insoweit wird auf Bl. 5 ff der Akten Bezug genommen. Die Freistellungsphase begann am 1. Juli 2009. Unter Ziffer 5 des Altersteilzeitvertrags (Bl. 7 der Akten) ist vorgesehen, dass am Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses (Freistellungsphase) für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung gem. §§ 9,10 KSchG gewährt wird. In einem Sideletter zum Altersteilzeitvertrag vom 27. April 2006 (Bl. 11 der Akten) war vereinbart, dass M an den Kläger für die Zeit vom 1. Juli 2012 bis 31. Januar 2013 (Rentenbeginn) einen Abfindungs- und Ausgleichsbetrag in Höhe von 15.000 € zahlt und der Kläger dafür die Weiterführung der gesamten Sozialversicherungsbeiträge übernimmt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts A vom 1. Februar 2012 wurde über das Vermögen der M das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zu 1 zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Beklagte zu 2 hat den Betrieb am 1. Februar 2012 erworben.

Mit seiner Klage begehrt er im Berufungsverfahren noch die Festestellung der Zahlungsverpflichtung der Beklagten zu 2 in Höhe von 15.000 € brutto hinsichtlich der Abfindung als Übernehmerin des Betriebs nach § 613a BGB, hilfsweise die Verurteilung des Beklagen zu 1 zur Zahlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 79-80 der Akten) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung, abgewiesen. Die Beklagte zu 2 hafte als Übernehmerin in der Insolvenz nur für die ab Insolvenzeröffnung entstandenen Masseforderungen. Die Abfindungsforderung sei hier durch eine Vereinbarung vor dem Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet worden, so dass für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Masseverbindlichkeit vorliege. Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei dem geltend gemachten Betrag nicht um ein Entgelt für eine erbrachte Arbeitsleistung, sondern um eine echte Abfindung. Dies ergebe sich zum einen daraus, dass in dem Sideletter ausdrücklich von einem "Abfindungs- und Ausgleichsbetrag" die Rede ist. Ferner folge dies aus dem Zweck der Zahlung, die Lücke zwischen dem Ende der Altersteilzeit und den Renteneintritt wirtschaftlich zu überbrücken.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. Oktober 2012 zugestellt. Er hat dagegen mit einem am 15. November 2012 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 18. Dezember 2012 begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, für die Argumentation des Arbeitsgerichts spreche allein der Wortlaut des Sideletters, in dem der Begriff "Abfindung" auftauche. Das Arbeitsgericht habe die Argumentation des Klägers im Schriftsatz vom 7. September 2012, wo vorgetragen wurde, warum sich der vorliegende Fall von dem der Entscheidung des BAG vom 27. September 2007 zu Grunde liegenden Fall unterscheidet, nicht berücksichtigt. Vorliegend richte sich der geltend gemachte Anspruch nämlich nicht gegen die Insolvenzschuldnerin, sondern gegen den Übernehmer. Es handele sich auch nicht um eine Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes, weil eine Altersteilzeitvereinbarung geschlossen wurde. Es sei auch keine Kündigung ausgesprochen worden. Schließlich spreche das BAG in der zitierten Entscheidung selbst von Regelfällen, woraus folge dass es auch abweichende Konstellationen geben könne. Dies sei hier der Fall, weil es sich um bereits verdientes Entgelt, dessen Fälligkeitszeitpunkt einvernehmlich nach hinten verlagert wurde, handele. Dies ergebe sich daraus, dass ein Br...

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