Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Anspruch auf Witwerrente
Leitsatz (amtlich)
Eine Gleichbehandlung männlicher und weiblicher Hinterbliebener in der betrieblichen Altersversorgung kommt erst ab 1.1.1986 in Betracht, weil ab diesem Zeitpunkt aufgrund des gewandelten Erwerbsverhaltens der Frauen der Versorgungsbedarf bei Witwen nicht typischerweise als großer anerkannt werden kann als bei Witwern.
Die bisherige abweichende Rechtsprechung des LAG Frankfurt (Urteil vom 27.4.1979 – 6/8 Sa 1069/78 – BB 1980, 1693–1695) wird aufgegeben.
Verfahrensgang
ArbG Hanau (Urteil vom 05.11.1987; Aktenzeichen 1 Ca 116/87) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hanau vom 5. November 1987 – 1 Ca 116/87 – wird kestenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer in der Ruhegeldordnung nicht vorgesehenen Witwerrente an den Kläger.
Die vor Inkrafttreten des Hinterbliebenenrenten- und Erziehungszeitengesetzes vom 11. Juli 1985 (BGBl. I, 1450 ff) (HEZG) am 1.1.1986 aus den Diensten der Beklagten ausgeschiedene und nach dem Inkrafttreten des genannten Gesetzes verstorbene Ehefrau des Klägers bezog von der Beklagten eine Betriebsrente nach Maßgabe der Ruhegeldordnung.
Durch Urteil vom 5. November 1987 hat das Arbeitsgericht Hanau die auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützte Klage abgewiesen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung.
Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Anspruch des Klägers auf eine Witwerrente ist nicht begründet.
Auf die Versorgungsordnung der Beklagten läßt sich der Anspruch nicht stützen, weil sie eine Witwerrente nicht vorsieht.
Der Anspruch ist auch nicht aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes begründet.
Zwar trifft zu, daß bei Ausschluß der Witwerrente die Gegenleistung für die berufstätig Frau geringer ist, weil sie für den Todesfall ihre Angehörigen nicht im gleichen Ausmaß versorgen kann wie der Mann. Die weitere Folge davon ist, daß der Witwer gegenüber einer hinterbliebenen, versorgungsberechtigten Witwe benachteiligt wird. Dennoch war bislang eine unterschiedliche Versorgung von Witwen und Witwern als sachlich gerechtfertigt anzusehen. Im Regelfalle ging nämlich der Mann dem außerhäuslichen Erwerb nach, während die Frau den Haushalt versorgte. Dabei verlor die Frau beim Todes des Mannes typischerweise den Ernährer. Starb dagegen die Frau, war der Ehemann zumeist durch sein eigenes Arbeits- bzw. Renteneinkommen gesichert. Allerdings ist es im Hinblick auf das in den letzten Jahren zu beobachtende geänderte Erwerbsverhalten zweifelhaft, ob eine solche Differenzierung zwischen Witwen und Witwern durch einen unterschiedlichen Versorgungsbedarf heute noch gerechtfertigt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat daher in seinem sog. Witwerurteil vom 12. März 1975 (BVerfGE 39, 169 ff) im Gegensatz zu seiner früheren Entscheidung aus dem Jahre 1963 (DB 1963, 1090) festgestellt, daß die im Rentenrecht ehemals enthaltenen unterschiedlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Witwen- und Witwerrenten zukünftig nicht mehr mit dem Gleichbehandlungs- und Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG vereinbar sind. Zwar führt das Gericht aus, daß zum Entscheidungszeitpunkt in den unterschiedlichen Voraussetzungen zur Erlangung von Hinterbliebenenversorgung noch kein aktueller Verstoß gegen Art. 3 Abs. 2 GG liege, dies jedoch für die weitere Zukunft nicht ausgeschlossen werden könne. Das Gericht verpflichtete daher den Gesetzgeber, eine entsprechende Reform der Hinterbliebenenversorgung durchzuführen und dabei auch eine eigenständige Sicherung der Frauen vorzunehmen. Dies ist nunmehr mit dem Gesetz zur Neuordnung des Hinterbliebenenrente sowie zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 11. Juli 1985 mit Wirkung zum 1. Januar 1986 geschehen.
Nachdem die gesetzliche Sozialversicherung entsprechend den verfassungsgerichtlichen Auftrag die Witwerrente erst ab 1986 eingeführt hat, kann für die betriebliche Altersversorgung nichts anderes gelten. Die geänderte Rechtsauffassung hinsichtlich der Gleichberechtigung der Geschlechter in der Hinterbliebenenversorgung beruht in beiden Versorgungssystemen auf dem sich ändernden Erwerbsverhalten der Frauen und dem Wandel in den Ansichten zur Haushaltsführungspflicht. Folgerichtig wird man in der verfassungsrechtlichen Beurteilung auch jeweils die gleiche zeitliche Wendemarke zu setzen haben (so auch LAG Hamburg vom 11.1.1994 – 4 Sa 113/83 –; LAG Hamm von 25.1.1983 – 6 Sa 1410/82 –; ferner Höfer-Kripper-Pisters BB 1980, 1169). Erst ab 1986 sind deshalb auch in der betrieblichen Altersversorgung männliche und weibliche Hinterbliebene gleich zu behandeln, weil ab diesem Zeitpunkt wie vom Bundesverfassu...