Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung wegen unerlaubter Privatnutzung des Diensthandys. Abmahnungserfordernis. unerlaubte Privatnutzung eines Diensthandys. umfangreiche Privattelefonate mit Diensthandy. wichtiger Grund i.S.d. § 626 - kein Abmahnungserfordernis bei Offensichtlichkeit - Unterbliebene Kontrolle des Arbeitgebers führt nicht zu Abmahnungserfordernis - Gleichheitsgrundsatz bei Kündigungsgründen
Leitsatz (amtlich)
1. Die unerlaubte Privatnutzung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Diensthandys, um auf dessen Kosten heimlich umfangreiche Privattelefonate zu führen, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund i.S.d. § 626 Abs 1 BGB für eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu bilden.
2. Eine vorherige Abmahnung ist nicht erforderlich, wenn es für den Arbeitnehmer offensichtlich war, dass der Arbeitgeber die Privatnutzung des Diensthandys im Dienstmodus zum Führen privater Telefonate im Ausland auf seine Kosten nicht duldet.
3. Die unterbliebene oder verzögerte Kontrolle der ordnungsgemäßen Telefonbenutzung allein führt nicht zum Abmahnungserfordernis. Jeder Arbeitnehmer hat sich so zu verhalten, dass es um seinetwillen einer Kontrolle nicht bedarf. Der Arbeitnehmer kann nicht erwarten, technisch verhinderbarer Missbrauch werde geduldet oder aber noch nicht als schwerer und das Vertragsverhältnis gefährdender Pflichtverstoß angesehen.
4. Der Arbeitnehmer kann sich nicht darauf berufen, dass der Arbeitgeber in anderen Fällen gegenüber Arbeitnehmern wegen unerlaubter Privatnutzung des Diensthandys eine Abmahnung ausgesprochen hat. Die Unwirksamkeit einer Kündigung kann nicht unmittelbar aus einer Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes hergeleitet werden. Dem steht das Erfordernis entgegen, bei der Prüfung des wichtigen Grundes i.S.d. § 626 Abs 1 BGB die Umstände des jeweiligen Einzelfalls umfassend abzuwägen. Dies schließt mittelbare Auswirkungen des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf die Interessenabwägung nicht aus, wenn der Arbeitgeber bei gleicher Ausgangslage im Sinne einer gleichartigen Pflichtverletzung nicht allen beteiligten Arbeitnehmern kündigt und daraus zu schließen ist, dass es für ihn zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis auch mit dem gekündigten Arbeitnehmer fortzusetzen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.10.2010; Aktenzeichen 14 Ca 2006/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 27. Oktober 2010, 14 Ca 2006/10, abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug nach Zurückverweisung durch das Bundesarbeitsgericht über die Wirksamkeit außerordentlicher fristlos bzw. hilfsweise mit Auslauffrist ausgesprochener Arbeitgeberkündigungen und um Weiterbeschäftigung.
Wegen des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 464 bis 471 d.A.). Dies erfolgt mit folgenden Ergänzungen:
Die ursprüngliche Beklagte (A, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter C) hat ihr Vermögen als Ganzes im Wege der Umwandlung durch Aufspaltung auf verschiedene Gesellschaften übertragen, ua. den Betrieb D auf die jetzige Beklagte (eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts B unter E). Die entsprechenden Eintragungen im Handelsregister erfolgten am 01. Juli 2011 bzw. 17. Juni 2011. Die (jetzige) Beklagte hat den Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 24. Juli 2011 aufgenommen.
Mit seiner Stellungnahme vom 18. Februar 2010 (Bl. 164 f d.A.) zur schriftlichen Anhörung vom 16. Februar 2010 (Bl. 152 f d.A.) bat der Kläger im Hinblick auf den Vorwurf mit dem Diensthandy im Ausland geführter Privattelefonate um Überlassung der Verbindungsnachweise. Mit Schreiben vom 19. Februar 2010 (Bl. 166 f d.A.) übersandte ihm die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Einzelverbindungsnachweise (Bl. 168 f d.A.) und verlängerte die gesetzte Stellungnahmefrist bis 23. Februar 2010, innerhalb derer dann der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers mit hiermit in Bezug genommenen Schreiben vom 22. Februar 2010 (Bl. 207 f d.A.) für diesen Stellung nahm.
Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 27. Oktober 2010 verkündetes Urteil, 14 Ca 2006/10, mit Ausnahme des allgemeinen Feststellungsantrags stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, zwar bestehe der dringende Verdacht einer vertraglichen Pflichtverletzung durch erhebliche Nutzung des zur Verfügung gestellten Diensthandys für private Zwecke, wobei die Einlassung des Klägers zur Nutzung des Handys durch seine Kinder als nicht nachvollziehbar erscheine. Aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls sei jedoch eine Abmahnung erforderlich gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen ...