Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang und dynamische Bezugnahmeklausel. Individualvertraglich begründeten Rechte und Pflichten. Anwendbarkeit TVöD und TVÜ-VKA. Regelungen eines Personalüberleitungsvertrags
Leitsatz (redaktionell)
Der Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechte und Pflichten der zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse bezieht sich auf alle individualvertraglich begründeten Rechte und Pflichten und umfasst auch solche aus dynamischen Bezugnahmeklauseln. Daran ist auch nach der Entscheidung des EuGH vom 18. Juli 2013 (C-426/11) festzuhalten.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 1 S. 1; TVöD; TVÜ-VKA
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 12.03.2013; Aktenzeichen 9 Ca 352/12) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 12. März 2013 - 9 Ca 352/12 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Anwendbarkeit des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (im Folgenden: TVöD) und des Tarifvertrages zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts seit dem 01. Oktober 2005 (im Folgenden: TVÜ-VKA) auf ihr Arbeitsverhältnis.
Der Kläger, der Mitglied der Gewerkschaft A ist, wurde aufgrund Arbeitsvertrags vom 8. November 1989 mit Wirkung zum 1. Januar 1990 vom Kreis B, der Mitglied des kommunalen Arbeitgeberverbands und Träger des C sowie des D war, als Weißbinder für das C eingesetzt. § 2 des Arbeitsvertrags (Bl. 6 d. A.) lautet wie folgt:
"Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31.01.1962 und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Außerdem finden die für den Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen Tarifverträge Anwendung, sofern beiderseitige Tarifbindung vorliegt."
Ende 1995 wurden das C und das D gemäß §§ 168 UmwG in die E (im Folgenden nur noch: E) umgewandelt. Die E war Mitglied im kommunalen Arbeitgeberverband.
Die E gliederte ihren Wirtschafts- und Versorgungsdienst mit Wirkung zum 31. Dezember 1997 auf die F (im Folgenden: F) aus. Die E und die F sowie der Betriebsrat der E schlossen am 4. November 1997 einen Personalüberleitungsvertrag (im Folgenden: PÜV 1997), der unter anderem folgende Regelungen enthält:
"Präambel
...
Zur Absicherung des Besitzstandes der von der Ausgliederung betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sämtlich von der G übernommen werden, wird folgender
Personalüberleitungsvertrag
vereinbart:
§ 1 Ausgliederung
1. Die Bereiche von E, in denen bislang Aufgaben des Wirtschafts- und Versorgungsdienstes wahrgenommen worden sind und die sich im Einzelnen aus Anlage 1 ergeben, werden am Stichtag in die G ausgegliedert.
2. Die Arbeitsverhältnisse sämtlicher betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in Anlage 2 namentlich aufgelistet sind, gehen am Stichtag gemäß § 613a BGB im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf die G über.
§ 2 Arbeitsverhältnisse und Besitzstand
1. Die G tritt in die am Stichtag bestehenden Arbeitsverhältnisse einschließlich allen daraus erworbenen Rechten und Pflichten mit den in der Anlage 2 aufgeführten betroffenen E-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die auf die G übergehen, ein.
2. Für die Angestellten gilt weiterhin der Bundes-Angestellten-Tarifvertrag ("BAT") vom 23.02.1961 in seiner jeweils geltenden Fassung einschließlich der den BAT ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge.
3. Für die Arbeiter/Arbeiterinnen gilt weiterhin der Bundesmanteltarifvertrag ("BMT-G II") für Arbeiter/Arbeiterinnen gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe vom 31.01.1962 in der jeweils geltenden Fassung einschließlich der den BMT-G II ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge.
...
§ 10 Bekanntgabe des Personalüberleitungsvertrages
1. Jeder betroffenen Mitarbeiterin und jedem betroffenen Mitarbeiter wird ein Exemplar dieses Vertrages rechtzeitig zum Stichtag ausgehändigt.
2. Ein weiteres Exemplar dieses Vertrages wird zur Personalakte genommen und wird bei Zustimmung der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters hinsichtlich der auf sie/ihn jeweils zutreffenden Vorschriften Bestandteil des jeweiligen Arbeitsvertrages."
Nach Abschluss des Personalüberleitungsvertrags und vor Eintragung in das Handelsregister wurde die F in H (im Folgenden: H) umbenannt.
In einer zweiten Stufe gliederte die E mit Wirkung zum 1. Juni 1998 den Bereich der Haustechnik, den Bereich Empfang, Pforte und Telefonzentrale, sowie den Bereich Medizintechnik aus und übertrug diese Bereiche auf die H . Die E, die H und der Betriebsrat der E hatten zuvor am 31. März 1998 eine Ergänzung zum Personalüberleitungsvertrag vom 4. November 1997 (Bl. 7 - 11 d. A.) (im Folgenden: Ergänzung zum PÜV 1997) vereinbart, in der die H als "I" bezeichnet ist und der u.a. folgende Regelungen enthält:
"§ 1 Weitere aus...