Leitsatz (amtlich)
Die Zulassung einer Berufung muß gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG im Urteil erfolgen, am besten in der Urteilsformel. Die Zulassung muß entsprechend § 311 Abs. 1 ZPO mitverkündet werden.
Ein Berichtigunsbeschluß gemäß § 319 Abs. 1 ZPO, durch den die von den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 60 Abs. 3 ArbGG unterschriebene Urteilsformel dahin berichtigt wird, daß die Berufung zugelassen wird, ist in aller Regel unwirksam, weil sich die Offenbare Unrichtigkeit der ürteilsformel nicht ohne weiteres und allein aus dem Zusammenhang des Urteils oder den Vorgängen bei Erlaß oder Verkündung ergibt. Eine Urteilsformel ist nur dann offenbar unrichtig, wenn auch andere als die am Urteil beteiligten Richter dies ohne weiteres und allein aus dem Zusammenhang des Urteils oder den Vorgängen bei Erlaß oder Verkündung so erkennen können.
Ein Berichtigungsbeschluß, der dies verkennt und die Berufung nachträglich zuläßt, weil dies in der Urteilsformel vergessen worden sei, bindet das Berufungsgericht auch dann nicht, wenn die Parteien gegen den Berichtigungsbeschluß keine sofortige Beschwerde eingelegt haben.
Normenkette
ArbGG § 64 Abs. 2; ZPO § 319
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 05.09.1984; Aktenzeichen 1 Ca 249/84) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts in Offenbach/Main vom 05.09.1984 – 1 Ca 249/84 – wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien, die beiderseits nach dem Manteltarifvertrag für die Leder- und Kofferindustrie vom 20.06.1977 tarifgebunden sind, streiten darüber, ob die Klägerin nach §§ 629 BGB, 3 MTV die im Laufe der Kündigungsfrist für Arbeitsplatzsuche am 07.03., 19.03.1984 aufgewendete Arbeitszeit bezahlt verlangen kann.
Das Arbeitsgericht hat die Klage auf Bezahlung von 75,23 DM brutto abgewiesen; wegen aller Einzelheiten, auch bezüglich des Verfahrens, der Anträge und der Entscheidungsgründe wirdsoweit nicht im einzelnen dargestellt – auf das Urteil des Arbeitsgerichts in Offenbach am Main vom 05.09.1984 – 1 Ca 249/84 – verwiesen.
Die von den Richtern des Arbeitsgerichts gemäß § 60 Abs. 3 ArbGG unterschriebene Urteilsformel lautet:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 75,23 DM festgesetzt.
So lautet ausweislich der Niederschrift der Verhandlung vom 05.09.1984 auch die Urteilsformel, die der Kammervorsitzende verkündet hat (vgl. Bl. 25 R d.A.).
Mit Schreiben vom 07.09.1984 hat sich der Vorsitzende wie folgt an die Parteien gewandt:
enthält der in Abwesenheit der Parteien am 05.09.1984 verkündete Entscheidungstenor nicht die Zulassung der Berufung. Die versehentliche Auslassung ist unmittelbar nach Verkündung (durch Bezugnahme nach § 60 Abs. 2 ArbGG) bemerkt worden.
Die Unrichtigkeit muß auch als offensichtlich angesehen werden, da sie nicht nur dem Ergebnis der Kammerberatung, sondern auch der im Termin gemachten Ankündigung des Gerichts widerspricht, die Berufung müsse und werde zugelassen werden, gleich, wie die Entscheidung ausfalle.
Es ist daher beabsichtigt, die Urteilsformel nach § 319 ZPO zu berichtigen. Um Stellungnahme binnen 1 Woche wild gebeten.
Die Parteien haben keine Einwände erhoben. Durch Berichtigungsbeschluß des Vorsitzenden vom 21.09.1984 hat das Arbeitsgericht den Tenor ergänzt:
Die Berufung wird zugelassen.
In den Entscheidungsgründen des Urteils heißt es:
Da die Entscheidung auf der Auslegung eines für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland geltenden Tarifvertrages beruht, war gem. § 64 Abs. 3 Ziff. 2 B ArbGG die Berufung zuzulassen.
Das abgesetzte Urteil mit den Entscheidungsgründen und diesem Passus ist den Parteien zugestellt, also nicht verkündet worden.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin innerhalb der zur Niederschrift der Verhandlung vom 12.03.1985 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt, mit der sie beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach a.M. vom 5. September 1984, Az.: 1 Ca 249/84, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 75, 23 DM netto zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im übrigen wird auf die Berufungsbegründung vom 14.12.1984 und die Berufungserwiderung vom 29.01.1985 Bezug genommen.
Die Parteien sind in der Berufungsverhandlung vom 12.03.1985 auf mögliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen worden.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG unzulässig. Weder übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 800,– DM, noch ist die Berufung „in dem Urteil des Arbeitsgerichts” wirksam und mit Verbindlichkeit gegenüber dem Berufungsgericht zugelassen worden.
Die Zulassung der Berufung muß nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 64 Abs. 2 ArbGG im Urteil erfolgen. Da die Urteile der Arbeitsgerichte in jedem Falle (arg. § 64 Abs. 2 ArbGG) gemäß §§ 60, 46 Abs. 2 ArbGG, 495, 311 Abs. 1 ZPO verkündet werden müssen, muß auch die Zulassung der Berufung mitverkündet ...