Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbliche Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei der Beurteilung, ob ein Betrieb „gewerblich” i.S.d. § 1 Abs. 2 BKTV-Bau tätig ist, kommt es nicht auf die – möglicherweise karitative – Motivation der Gesellschafter an, sondern auf die Tätigkeit der Gesellschaft. Diese kann auch auf Gewinnerzielung aus sein, obwohl ein eventueller Gewinn laut Satzung nicht den Gesellschaftern zugute kommen, sondern in der Gesellschaft verbleiben soll. Wenn der Gegenstand der Gesellschaft die Einstellung und Beschäftigung von langfristig Arbeitslosen, deren Bezahlung nach marktüblichen Löhnen und das Anbieten von Leistungen auf dem freien Markt zu marktüblichen Preisen ist, ist die Gesellschaft gewerblich tätig.
Normenkette
BRTV-Bau § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 28.05.1986; Aktenzeichen 3 Ca 6167/85) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28.05.1986 – 3 Ca 6167/85 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt.
1. Dem Kläger auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen.
1.1 wieviel Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (RVO) versicherungspflichtige Tätigkeit ausübten, in den Monaten
September 1984 bis Januar 1986
in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die lohnsteuerpflichtige Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind,
1.2 wieviel technische und kaufmännische Angestellte sowie Poliere und Schachtmeister in den Monaten
September 1984 bis Januar 1986
in dem Betrieb der Beklagten beschäftigt wurden und in welcher Höhe Beiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in dem genannten Monaten angefallen sind.
2. Für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, an den Kläger folgende Entschädigung zu zahlen:
zu Nr. 1.1 |
DM |
47.600,– |
zu Nr. 1.2 |
DM |
2.028,92 |
Gesamtbetrag |
DM |
49.628,92 |
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, ist die tarifvertraglich bestimmte Einzugsstelle der Sozialkassen des B.. Nach dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag über das Verfahren für den Urlaub, den Lohnausgleich und die Zusatzversorgung im B. (VTV) vom 19.12.1983 und dem ebenfalls allgemeinverbindlichen Tarifvertrag vom 30.10.1975 über das Verfahren für eine zusätzliche Alters- und Invalidenbeihilfe für technische und kaufmännische Angestellte sowie für Poliere und Schachtmeister des B. (VTV Angestellte) verlangt er von der Beklagten Auskunft über die im Betrieb der Beklagten in den Monaten September 1984 bis Januar 1986 beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, kaufmännische und technische Angestellte sowie Poliere und Schachtmeister, deren monatliche Bruttolohnsumme sowie die Höhe der zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft abzuführenden Beiträge.
Die Beklagte, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, besteht seit dem Frühjahr 1984. Bei ihr sind zuvor schwervermittelbare Arbeitslose als Arbeitnehmer eingestellt. Im Auskunftszeitraum wurden Aufträge von privaten, kirchlichen und öffentlichen Auftraggebern ausgeführt. Es handelte sich dabei z. B. um Umbau-, Baureparatur-, Renovierungs-, Umzugs-, Entrümpelungs- und Säuberungsarbeiten, Rodungs-, Baumbeschnitts-, Ausbesserungsarbeiten, Anlegen von Wegen, von Rasenflächen, Plattenbelägen, Fensterstreicharbeiten, Gartenpflegearbeiten. Wegen der Auftrags Struktur im einzelnen wird auf die Anlage zur Berufungsbeantwortungsschrift vom 19.12.1986 (Bl. 198–202 d.A.) Bezug genommen.
Für die Arbeitnehmer werden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Sie erhalten eine orts- und marktübliche
Vergütung. Die Beklagte ist bei der Handwerkskammer F. als Maurerbetrieb in die Handwerksrolle eingetragen.
Gesellschafter der Beklagten ist die evangelische Kirchengemeinde L. und der C. L. eV.. Die Satzung der Gesellschaft vom 10.4.1984 sieht vor:
§ 2
Gegenstand der Gesellschaft
Gegenstand des Unternehmens ist es, schwervermittelbaren Arbeitslosen (älteren Arbeitslosen, Arbeitslosen, bei denen besondere soziale Schwierigkeiten der Teilnahme am Arbeitsprozeß entgegenstehen, Langzeit-Arbeitslosen, jüngeren Arbeitslosen mit schlechten Eingangsvoraussetzungen) durch Beschäftigung im Dienstleistungsbereich, Berufsförderung und seelischer Betreuung tatkräftig zu helfen. Das Unternehmen handelt damit im Interesse der Evang. Kirche in Deutschland sowie im Interesse der Kath. Kirche in Deutschland.
Im übrigen ist die Gesellschaft zu allen Handlungen berechtigt, die mit dem sozialen Auftrag der christlichen Kirchen und mit dem Gegenstand des Unternehmens in Einklang stehen. Dies gilt insbesondere für die sozialpädagogische und seelsorgerische Betreuung de...