Entscheidungsstichwort (Thema)

Geltungsbereich des Sozialkassenverfahrens für die Bauwirtschaft für Arbeiten an Schiffen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Arbeiten an Schiffen fallen nach traditionellem Verständnis der beteiligten Branchen grundsätzlich nicht unter die Bautarifverträge.

2. § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV-Bau kann nicht in der Weise ausgelegt werden, dass Korrosionsschutzarbeiten an Schiffen erfasst werden (Abgrenzung zu BAG 9. April 2014 - 10 AZR 1085/12).

(Anschluss an Hess. LAG 4. Mai 2018 - 10 Sa 1659/17 - Juris [Revision eingelegt]; Hess. LAG 5. März 2019 - 12 Sa 525/18 SK - Juris).

 

Normenkette

VTV SOKA Bau § 1 Abs. 2 Abschn. II; VTV SOKA Bau § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 06.09.2019; Aktenzeichen 7 Ca 857/18 SK)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 6. September 2019 – 7 Ca 857/18 SK – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren im Baugewerbe.

Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe. Auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) hat er die Beklagte auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von zuletzt 16.100 Euro in Anspruch genommen. Dabei handelt es sich um Beiträge für den Zeitraum Mai 2017 bis Mai 2018 für gewerbliche Arbeitnehmer. Bei seiner Mindestbeitragsklage hat er zugrunde gelegt, dass pro Monat mindestens zwei gewerbliche Arbeitnehmer beschäftigt waren.

Im streitgegenständlichen Zeitraum hat die Beklagte Korrosionsschutzarbeiten sowie Reinigungsarbeiten an Schiffen erbracht. Die Beklagte hat eine Vielzahl von Rechnungen vorgelegt, wegen deren Einzelheiten auf das Anlagenkonvolut B1 (vgl. Aktenordner) verwiesen wird.

Im Gewerberegister der Stadt A ist der Betrieb mit folgenden Tätigkeiten angemeldet: „Schiffsmontagearbeiten, Trockenbau (Isolierungsarbeiten), Schiffsreinigung, Im- und Export von Textilien, Kraftfahrzeugen, Korrosionsschutz, Personaldienstleistungen“. Außergerichtlich hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass zu 100 % Trockenbauarbeiten verrichtet wurden.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass die Beklagte verpflichtet sei, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Er hat behauptet, dass die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer in den Kalenderjahren 2017 und 2018 jeweils arbeitszeitlich betrachtet überwiegend die folgenden Arbeiten erbracht hätten:

Bauten- und Eisenschutzarbeiten, d.h. Korrosionsschutzarbeiten - Entrostung und/oder Abschleifen bzw. Sandstrahlen z.B. von Schiffen, Yachten, Spundwänden, Schleusenstoren, Brücken sowie anschließender Oberflächenbeschichtung.

Trotz entgegenstehender Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichtes vertritt er die Auffassung, dass Oberflächenschutzarbeiten an einem Schiffsrumpf vom VTV erfasst würden. Solche Arbeiten seien ausdrücklich vom betrieblichen Geltungsbereich des Tarifvertrages zur Regelung der Löhne im Bauten- und Eisenschutzgewerbe erfasst. Auch das Bundesarbeitsgericht habe in zwei Urteilen vom 9. April 2014 - 10 AZR 1085/12 sowie 10 AZR 890/13 - es für möglich gehalten, dass Korrosionsschutzarbeiten an Schiffen vom betrieblichen Anwendungsbereich erfasst würden, wenn diese industriell erfolgten.

Der Kläger hatte ursprünglich einen Betrag in Höhe von 18.200 Euro geltend gemacht. Zuletzt hat er berücksichtigt, dass im Klagezeitraum Mai bis Juli 2017 lediglich ein gewerblicher Arbeitnehmer beschäftigt war.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.100 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat gemeint, sie sei nicht verpflichtet, am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Ihr Hauptgeschäft habe in der Reinigung von Schiffen und von Tanks bestanden. Die außergerichtlich erteilte Auskunft sei fehlerhaft gewesen.Korrosionsschutzarbeiten an Bauwerken seien in nur untergeordnetem Umfang angefallen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 6. September 2019 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe bereits nicht schlüssig behauptet, dass der betriebliche Anwendungsbereich des VTV entfallen sei. Der VTV sei nicht nach § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV eröffnet, da Schiffe kein Bauwerk seien. Auch die Regelung in § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 2 VTV sei nicht einschlägig. Hätten die Tarifvertragsparteien regeln wollen, dass Bauten- und Eisenschutzarbeiten an Schiffen unter diese Regelung fallen, hätten sie dies wie bei der Regelung in § 1 Abs. 2 Abschn. IV Nr. 3 VTV klarstellen müssen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Urteils der ersten Instanz wird verwiesen auf 51 - 61 der Akte.

Dieses Urteil ist dem Kläger am 4. Dezember 2019 zugestellt worden. Die Berufungsschrift ist am 17. Dezember 2019 und die Berufungsbegründung am 9. Januar 2020 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

In der Rechtsmittelin...

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