Entscheidungsstichwort (Thema)

Geringfügig Beschäftigte. Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die seit 01.01.1989 geltende Gesetzeslage verpflichtet den ausgeschiedenen Arbeitnehmer auch außerhalb des Bereiches der vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) zur Erstattung von Arbeitnehmeranteilen zur Kranken- und Rentenversicherung, die der Arbeitgeber nachträglich hat entrichten müssen, sofern die Nachentrichtung auf vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Falschangabe des Arbeitnehmers, insbesondere dem Verschweigen eines weiteren Arbeitsverhältnisses als geringfügig Beschäftigter, beruht.

2. Zur Frage der Erstattung aufgewendeter Arbeitgeberanteile.

 

Normenkette

BGB §§ 276, 249, 252; SGB IV §§ 28 g, 280

 

Verfahrensgang

ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 16.12.1991; Aktenzeichen 5 Ca 194/91)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 16.12.1991 – 5 Ca 194/91 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.287,07 DM (i.W.: eintausendzweihundertundsiebenundachtzig 07/100 Deutsche Mark) zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin auf Erstattung aufgewendeter Sozialversicherungsbeiträge, die aufgrund Nachforderung des Sozialversicherungsträgers wegen der Tätigkeit der Beklagten als geringfügig Beschäftigte für gleichzeitig 2 Arbeitgeber angefallen sind.

Die Beklagte war vom 25. April 1990 bis 28. März 1991 für eine Monatsvergütung von 470,– DM bei der Klägerin als Reinemachefrau beschäftigt. In dem von beiden Parteien am 25. April 1990 unterzeichneten „Personalbogen und Arbeitsvertrag” heißt es u.a.:

I. Angaben zur Überprüfung einer geringfügigen Beschäftigung

5. Der Beschäftigte erklärt, daß er keine andere versicherungsfreie Tätigkeit ausübt und wurde darüber informiert, daß er die Aufnahme einer zweiten Tätigkeit sofort melden muß, da er sonst bei Überschreitung der versicherungsfreien Grenze von DM 470,– im Monat für nicht gezahlte Sozialversicherungsbeiträge voll haften muß.

9. …

Die vorstehenden Fragen habe ich wahrheitsgemäß beantwortet. Ich verpflichte mich, Änderungen meiner oben gemachten Angaben unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen.

Ohne der Klägerin hiervon Kenntnis zu geben war die Beklagte bereits bei Aufnahme ihrer Arbeit und während ihrer ganzen Beschäftigungszeit bei der Klägerin gleichzeitig für ein zweites Reinigungsunternehmen als geringfügig Beschäftigte tätig. Noch am 10.05., 10.07. und 10.09.1990 unterzeichnete sie auf Anforderung der Klägerin gleichlautende Erklärungen folgenden Inhalts:

Bestätige durch meine Unterschrift, daß ich neben meiner geringfügigen Beschäftigung bei Firma G., keine weitere versicherungsfreie Tätigkeit ausübe. Mir ist bekannt, daß ich die Aufnahme einer weiteren Tätigkeit sofort melden muß.

Nachdem die AOK für Stadt und Kreis O. durch Meldung der Datenstelle der Rentenversicherungsträger Kenntnis von der Mehrfachbeschäftigung erhalten hatte, mußte die Klägerin für die Beklagte Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung in Höhe der Klageforderung nachentrichten.

Das Arbeitsgericht hat die auf Erstattung der nachentrichteten Beiträge gerichtete Klage abgewiesen und gemeint, allenfalls unter den in § 826 BGB normierten, hier aber nicht vorliegenden Voraussetzungen könne der Arbeitnehmer außerhalb des Lohnabzugsverfahrens zur nachträglichen Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen werden. Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien, der dort gestellten Anträge sowie der Erwägungen des Arbeitsgerichts wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 04. Febr. 1992 zugestellte Urteil richtet sich die am 03. März 1992 eingelegte und am 30. März 1992 begründete Berufung der Klägerin.

Die Klägerin wendet sich gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts, wonach die Voraussetzungen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung nicht dargelegt seien. Sie trägt vor, die Beklagte habe nicht nur vorsätzlich, wiederholt und bereits bei Vertragsunterzeichnung wahrheitswidrig versichert, in keinem weiteren Beschäftigungsverhältnis zu stehen, sie habe auch im Bewußtsein der Schädigung des Arbeitgebers gehandelt. Die Inanspruchnahme des Arbeitgebers bei Vorliegen solcher Doppel-Beschäftigungsverhältnisse sei zum einen typische Schadens folge und zum anderen enthalte die von der Beklagten unterzeichnete Erklärung im Arbeitsvertrag die ausdrückliche Belehrung über den drohenden Eintritt eben dieser Folge.

Darüber hinaus trägt die Klägerin vor, das Verhalten der Beklagten bereits bei Vertragsabschluß habe auch ursächlich zur Schädigung der Klägerin geführt, denn bei wahrheitsgemäßer Angabe im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung hätte man die Beklagte erst gar nicht eingestellt, bzw. sofort wieder gekündigt und an ihrer Stelle eine andere Arbeitskraft eingestellt, bei der die Voraussetzungen für eine versicherungsfreie Tätigkeit vorgelegen hätten.

Schließlich trägt die Kläge...

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