Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlung von Sozialkassenbeiträgen. Zur Rechtmäßigkeit eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags. Aufbringen flüssiger Bodenbeläge als Bauleistung
Leitsatz (amtlich)
Das Aufbringen von flüssigen Bodenbelägen ist eine bauliche Leistung gern. § 1 S. 2 Abschnitt 11 VTV und kein Verlegen von Bodenbelägen iSv § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 38, das nur in Verbindung mit anderen baulichen Leistungen vom Geltungsbereich des VTV erfasst wäre.
Normenkette
VTV-Bau § 1 Abs. 2 Abschn. 2, 5; GG Art. 3 Abs. 1; EMRK Art. 11
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.05.2012; Aktenzeichen 6 Ca 232/11) |
Nachgehend
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 11. Mai 2012 - 6 Ca 232/11 - auf die Anschlussberufung der Klägerin teilweise abgeändert und insgesamt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 82.929,39 EUR zu zahlen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 2/3 und die Klägerin 1/3 zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte für den Zeitraum von Dezember 2005 bis Dezember 2009 zur Zahlung von Beiträgen zum Sozialkassenverfahren im Baugewerbe verpflichtet ist.
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemein verbindlich erklärten tariflichen Regelungen des Baugewerbes insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge für jeden beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten an den Kläger zu entrichten. Die Beklagte unterhielt während des gesamten Klagezeitraums einen Betrieb, in dem zu fast 100 % der Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer Bodenbeläge in flüssiger Form (Elastomere) in Industrie-, Gewerbe- und Privatgebäuden aufgebracht werden. Der Aufbau des Bodens besteht in einer Grundierung plus einer Beschichtung von insgesamt 2 mm Stärke. Es existiert eine Vielzahl von Designs, die individuell nach Kundenwunsch gemischt werden. Von den allgemeinen technischen Vorschriften ist DIN 18365 (Bodenbelagsarbeiten) maßgebend.
Der Kläger hat in erster Instanz im Wege der Mindestbeitragsklage zunächst Beiträge für einen gewerblichen Arbeitnehmer und eine Angestellte für den Zeitraum 12/2005 bis 12/2009 in Höhe von € 29.496,-- gegenüber der Beklagten geltend gemacht und die Klage in der Berufungsinstanz auf Zahlung von Beiträgen für weitere sieben gewerbliche Arbeitnehmer für den Zeitraum 12/2007 bis 12/2009 erweitert. Die Beschäftigung dieser Zahl von Arbeitnehmern im Klagezeitraum und die Höhe der zu entrichtenden Beiträge im Falle der Anwendbarkeit des VTV sowie ihre Berechnung sind zwischen den Parteien unstreitig, nachdem der Kläger die von der Beklagten in der Berufungsinstanz mitgeteilten Beschäftigungszeiten und ausgezahlten Löhne seiner Beitragsberechnung zugrunde gelegt hat.
Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vorbringens beider Parteien und der in erster Instanz gestellten Anträge wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 56 - 57 d. A.).
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 11.05.2012 - 6 Ca 232/11 - die Beklagte zur Zahlung der eingeklagten Beiträge verurteilt. Zur Begründung (Bl. 58 - 62 d. A.) hat es ausgeführt, dass der Betrieb der Beklagten während des gesamten Klagezeitraums von Dezember 2005 bis Dezember 2009 unter den Geltungsbereich des VTV gefallen sei, weil die dort unstreitig überwiegend ausgeführte Tätigkeit des Aufbringens flüssiger Kunststoffe auf Böden als bauliche Leistungen nach § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV anzusehen ist. Die Tätigkeit diene der Vollendung eines Bauwerks und sei nicht als reines Verlegen von Bodenbelägen ohne Verbindung mit anderen baulichen Leistungen (§ 1 Absatz II Abschnitt V Nr. 38 VTV) vom Geltungsbereich der Bautarifverträge ausgenommen, denn das Verlegen der flüssigen Kunststoffe könne nicht als das Verlegen von Bodenbelägen angesehen werden. Diese Tätigkeit setze mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts voraus, dass ein Bodenbelag in Form von Bahnen oder Platten bereits existiert und zum Zwecke der Raumausstattung auf einen bereits vorhandenen Fußboden verlegt wird. Einer flüssigen Kunststoffmasse könne diese einen Bodenbelag prägende Qualität nicht zugesprochen werden, auch wenn die aufgetragene Kunststoffschicht später eine ähnliche Funktion erfülle wie ein Bodenbelag. Die von der Beklagten vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Allgemeinverbindlichkeit der Tarifverträge hat das Arbeitsgericht nicht geteilt.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 16.05.2012 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts am 14.06.2012 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis ...