keine Angaben zur Rechtskraft
Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel. Auslegung. Kirchlich-Diakonische Arbeitsvertragsordnung
Leitsatz (amtlich)
1. Arbeitsvertragordnungen der diakonischen Verbände sind keine Tarifverträge. Den Beschlüssen der arbeitsrechtlichen Kommission kommt keine normative Wirkung zu.
2. Eine Bezugnahmeklausel, wonach für das Dienstverhältnis der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter vom 31. Januar 1962 (BMT-G II) nebst Änderungen und zusätzlichen Regelungen in der Fassung des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (Dienstvertragsrecht) gilt, verweist nicht unmittelbar auf tarifvertragliche Arbeitsbedingungen. Durch eine derartige Bezugnahmeklausel wird nicht jede von der arbeitsrechtlichen Kommission beschlossene Arbeitsvertragsordnung in das Arbeitsverhältnis transformiert. Die dynamische Ausgestaltung wird durch den Wortlaut der arbeitsvertraglichen Regelung dahingehend begrenzt, dass das Arbeitsverhältnis dem BAT – wenn auch in modifizierter Form – zeitdynamisch unterstellt wird und nur die üblichen Tarifentwicklungen mitvollzogen werden sollen.
3. Die Arbeitsvertragsordnung vom 20. Juli 2005 wird von der im Streitfall maßgeblichen Bezugnahmeklausel nicht erfasst. Sie stellt keine Änderung des BAT in der Fassung des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau dar, weil sie keine im Rahmen des Üblichen liegende Fortentwicklung des BAT ist, sondern einen „Tarifwechsel” darstellt.
§ 31 der Arbeitsvertragsordnung vom 17. Mai 2005 wird von der Bezugnahmeklausel ebenfalls nicht erfasst, da er sich darin erschöpft, die Beendigung der Anwendung des Tarifvertrages über ein Urlaubsgeld anzuordnen.
4. Die Arbeitsvertragsordnung vom 20. Juli 2005 und § 31 der Arbeitsvertragsordnung vom 17. Mai 2005 kommen nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung zu Anwendung.
Normenkette
BGB §§ 242, 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Urteil vom 21.12.2006; Aktenzeichen 10 Ca 128/06) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 21. Dezember 2006 – 10 Ca 128/06 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 727,05 EUR (in Worten: Siebenhundertsiebenundzwanzig und 05/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 332,34 EUR (in Worten: Dreihundertzweiunddreißig und 34/100 Euro) brutto seit 01. Juli 2006 und aus weiteren 394,71 EUR (in Worten: Dreihundertvierundneunzig und 71/100 Euro) brutto seit dem 18. August 2006 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über zusätzliches Urlaubsgeld für das Jahr 2005 sowie eine Entgeltreduzierung durch Umgruppierung und eine Vergütung für geleistete Überstunden.
Die Beklagtenseite ist eine kirchlich-diakonische Einrichtung und Mitglied im Diakonischen Werk in Hessen und Nassau. Die zuständige evangelische Kirche für Hessen und Nassau (EKHN) hat in Artikel 71 ihrer Kirchenordnung folgendes geregelt:
(1) Die Arbeitsverhältnisse der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der Evangelischen Kirsche in Hessen und Nassau können im Rahmen des kirchlichen Auftrages unter partnerschaftlicher paritätischer Beteiligung von Vertreterinnen und Vertretern der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst verbindlich für alle Anstellungsträger geregelt werden.
(2) Das nähere bestimmt ein Kirchengesetz, dem mehr als die Hälfte der gewählten und berufenen Mitglieder der Kirchensynode zustimmen muss.
Auf dieser Grundlage hat die EKHN am 29. November 1979 das Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse im kirchlichen Dienst (Arbeitsrechts – Regelungsgesetz – ARRG) beschlossen:
§ 4 ARRG lautet:
(1) Die durch die arbeitsrechtliche Kommission oder den Schlichtungsausschuss nach Maßgabe dieses Kirchengesetzes beschlossenen arbeitsrechtlichen Regelungen sind für alle Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich dieses Kirchengesetzes verbindlich.
(2) Es dürfen nur Arbeitsverträge geschlossen werden, die den in Abs. 1 genannten Regelungen entsprechen.
Für die von der arbeitsrechtlichen Kommission (ArK) beschlossene Arbeitervertragsordnung im kirchlich-diakonischen Werk in Hessen und Nassau (ArbVO/DW) vom 1. Dezember 1982 zuletzt geändert am 17.5.2005 galten unter anderem folgende Regelungen:
§ 1 Abs. 1
Auf die Arbeitsverhältnisse der im kirchlich-diakonischen Dienst des Diakonischen Werkes in Hessen und Nassau (DWHN) als Arbeiter beschäftigten Mitarbeiter finden der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G II) vom 31. Januar 1962 sowie die für Arbeiter zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge in der für das Land Hessen am 30.6.2004 geltenden Fassung Anwendung, soweit im Folgenden nichts anderes bestimmt ist.
Am 17. Mai 2005 hat die arbeitsrechtliche Kommission folgenden Beschluss gefasst:
§ 11c
Zum Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Arbeiter Der Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Arbeiter vom 16. März 1977 findet kei...