Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG

 

Leitsatz (amtlich)

Das SokaSiG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und bildet einen Rechtsgrund i.S.v. § 812 I BGB für das Behaltendürfen der gezahlten Sozialkassenbeiträge der Vergangenheit.

 

Normenkette

SokaSiG § 7; BGB §§ 812, 818 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 20.06.2017; Aktenzeichen 12 Ca 1003/16)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 20. Juni 2017 - 12 Ca 1003/16 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Rückzahlungsverpflichtungen des Beklagten gegenüber der Klägerin aus ungerechtfertigter Bereicherung.

Der Beklagte ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes berechtigt und verpflichtet.

Die Klägerin unterhielt im Kalenderjahr 2013 einen baugewerblichen Betrieb, ohne Mitglied in den tarifschließenden Verbänden des Baugewerbes gewesen zu sein, und zahlte an den Beklagten auf Grundlage der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 29. Mai 2013 bzw. vom 25. Oktober 2013 für dieses Kalenderjahr für ihre Beschäftigten Beiträge i.H.v. 320.874,- EUR und erhielt von dem Beklagten im Kalenderjahr 2013 Erstattungsleistungen i.H.v. 203.880,52 EUR.

Mit Beschlüssen vom 21. September 2016 (10 ABR 33/15 und 10 ABR 48/15) und vom 25. Januar 2017 (10 ABR 43/15 und 10 ABR 34/15) hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass sämtliche Allgemeinverbindlicherklärungen der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe während des Zeitraums vom 01. Oktober 2007 bis zum 31. Dezember 2014 rechtsunwirksam sind. Die Entscheidungen, welche die Allgemeinverbindlicherklärungen für das Kalenderjahr 2013 betreffen, ergingen in dem Verfahren 10 ABR 34/15.

Am 25. Mai 2017 ist das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (SokaSiG) ohne eine Übergangsregelung in Kraft getreten. Es sieht vor, dass die Rechtsnormen der Tarifverträge über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe in ihrer jeweiligen Fassung rückwirkend bis zum Jahr 2006 ohne Rücksicht auf eine Allgemeinverbindlicherklärung gelten.

Mit der am 29. Dezember 2016 bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangenen Klage fordert die Klägerin die Rückzahlung der Differenz zwischen den gezahlten und den erstatteten Beiträgen i.H.v. 116.993,48 EUR.

Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei um die entrichteten Beiträge ungerechtfertigt bereichert und daher zur Rückzahlung verpflichtet. Da die Allgemeinverbindlicherklärungen für den Zahlungszeitraum unwirksam seien, bestehe mangels Verbandsmitgliedschaft kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Zahlungen. Auch das SokaSiG bilde keinen solchen Rechtsgrund, da es verfassungswidrig sei. Das Gesetz verstoße gegen das Verbot der echten Rückwirkung von Gesetzen, verletze das Gewaltenteilungsprinzip und stelle einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG verbriefte Tariffreiheit dar.

Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 116.993,48 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31. Dezember 2013 an sie zu verurteilen.

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und die Auffassung vertreten, das SokaSiG sei verfassungsgemäß und stelle die Rechtsgrundlage für das Behaltendürfen der erlangten Forderung dar.

Hinsichtlich des Parteivorbringens erster Instanz im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Niederschriften der mündlichen Verhandlungen sowie auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils verwiesen.

Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 20. Juni 2017 die Klage abgewiesen und einerseits angenommen, dass die Regelungen des SokaSiG schon nicht gegen das Grundgesetz verstießen und somit eine Rechtsgrundlage für die geleisteten Zahlungen bildeten, was die einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage § 812 BGB ausschlösse. Andererseits stünde einer bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung auch bei angenommener Verfassungswidrigkeit des SokaSiG und mithin bei Fehlen einer Rechtsgrundlage die Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB entgegen.

Bezüglich der Einzelheiten der Argumentation des Arbeitsgerichts werden die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in Bezug genommen.

Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde der Klägerin am 14. September 2017 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 29. September 2017, eingegangen beim Hessischen Landesarbeitsgericht am 02. Oktober 2017, legte die Klägerin Berufung gegen das Urteil des Arbeitsgerichts ein und begründete diese mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2017 am 14. Dezember 2017, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag 14. November 2017 am 14. November 2017 bis zum 14. Dezember 2017 verlängert worden war.

Die Klägerin ist der Auffass...

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