Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhung der gesetzlichen Entgeltfortzahlung durch das Korrekturgesetz vom 19. Dezember 1998. Verfassungsmäßigkeit von §12 EFZG
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3, Art. 20 Abs. 1; GG § 3 Abs. 1; EFZG § 4 Abs. 1, 4, 12
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 20.10.1999; Aktenzeichen 1 Ca 246/99) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 20. Oktober 1999 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Kassel – 1 Ca 246/99 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beklagte mit Sitz in F. bei K. ist ein Unternehmen der Kunststoffverarbeitung.
Der Kläger ist bei der Beklagten als Maschinenführer beschäftigt und erhielt im Januar 1999 einen Stundenlohn von 20,56 DM brutto.
Beide Parteien sind kraft Verbandszugehörigkeit an die Tarifverträge der kunststoffverarbeitenden Industrie in Hessen gebunden, insbesondere an den Manteltarifvertrag vom 26. Oktober 1994/04. November 1996 in der ab 01. Dezember 1997 gültigen Fassung-MTV. Dieser Manteltarifvertrag enthält unter anderem folgende Bestimmungen:
§2
Arbeitszeit
I.
Regelmäßige Arbeitszeit und ihre Verteilung
1. Die regelmäßige tarifliche oder abweichend festgelegte wöchentliche Arbeitszeit an den Werktagen darf im Durchschnitt eines Verteilzeitraums von bis zu 12 Monaten 38 Stunden ausschließlich der Pausen nicht überschreiten….
§10
Arbeitsversäumnis und Vergütungsanspruch
III.
1. Bei Erkrankung, die mit Arbeitsunfähigkeit verbunden ist, gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
Die Höhe der Vergütungsfortzahlung im Krankheitsfall bemisst sich unabhängig von der jeweiligen gesetzlichen Regelung nach der Arbeitsvergütung, die dem Arbeitnehmer beid er für ihn maßgebenden tariflichen regelmäßigen oder davon abweichend vereinbarten Arbeitszeit zusteht, ohne Mehrarbeit und ohne Mehrarbeiszuschläge, auch soweit diese pauschaliert sind. Bei Kurzarbeit ist die verkürzte Arbeitszeit maßgebend. Der Vergütungsberechnung können die durchschnittlichen Verhältnisse eines Zeitraumes zugrundegelegt werden, der durch Betriebsvereinbarung festzulegen ist.
Der Arbeitgeber kann für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit, für die er Vergütungsfortzahlung leisten muss, den Arbeitnehmer 1,5 Stunden nacharbeiten zu lassen bzw. sofern ein Arbeitszeitkonto vorhanden ist, diese 1,5 Stunden von seinem Zeitkonto in Abzug bringen. Ist Nacharbeit bzw. eine Verrechnung mit dem Zeitkonto nicht möglich, so ist der Arbeitgeber berechtigt, diese 1,5 Stunden pro Krankheitstag von der Vergütung in Abzug zu bringen.
Diese Anrechnungsmöglichkeit ist auf 15 Krankheitstage pro Kalenderjahr bzw. 10 Krankheitstage pro Krankheitsfall beschränkt.
Diese Fassung der Bestimmungen über die Entgeltfortzahlung beruht auf der seit 01.Oktober 1996 gültigen Fassung des § 4 Abs. 1 EFZG, mit der eine Absenkung des gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit auf 80% des vollen Lohns angeordnet wurde (Arbeitsrechtliches Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996, BGBl. I S. 1476).
Im Betrieb der Beklagten wird für den Kläger ein Arbeitszeitkonto geführt, auf dem alle lohnpflichtigen Arbeitsstunden verzeichnet sind. Die Höhe eines Vergütungsanspruchs richtet sich nach der Anzahl der auf dem Arbeitszeitkonto festgehaltenen Arbeitstunden.
Der Kläger war vom 11. bis zum 14. Januar 1999 infolge Krankheit arbeitsunfähig. Er hat der Beklagten die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Die Beklagte zog unter Berufung auf §10 III. 1. Abs. 3 MTV von dem für den Kläger geführten Arbeitszeitkonto je Krankheitstag 1,5 Stunden, insgesamt 6 Stunden ab.
Mit der Klage vom 30./31. März 1999 hat der Kläger von der Beklagten gefordert, die für die 4 Krankheitstage im Januar 1999 in Abzug gebrachten 6 Arbeitsstunden seinem Arbeitszeitkonto wieder gut zu schreiben. Er ist der Auffassung gewesen, die von der Beklagten vorgenommene Minderung seines Arbeitszeitkontos sei durch die Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes in der Fassung des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte in der ab 01. Januar 1999 gültigen Fassung nicht mehr gedeckt; insbesondere sehe §4 Abs. 1 EFZG in der ab dem genannten Zeitpunkt wieder gültigen Fassung die volle Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle vor; damit habe der Gesetzgeber die zum 01. Oktober 1996 in Kraft getretene Reduzierung der Entgeltfortzahlung auf 80 % der vollen Vergütung wieder rückgängig gemacht und damit sei zugleich die Grundlage für die Regelung in §10 III. 1. Abs. 3 MTV, d. h. für eine Reduzierung der Arbeitszeit je Krankheitstag entfallen; §12 EFZG lasse eine Absenkung der 100 %igen Entgeltfortzahlung durch Tarifvertrag nicht zu.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, dem Arbeitszeitkonto des Klägers 6 Stunden gut zu schreiben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung gewesen, sie sei aufgrund von § 10 III. 1. Abs. ...