Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstundenzuschläge bei Teilzeitarbeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Daß nach dem Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer des Kuratoriums für Dialyse Überstundenzuschläge nur bei Überschreitung der tariflichen Wochenarbeitszeit gezahlt werden, verstößt weder gegen § 2 I BeschFG noch gegen Art. 119 EWG-Vertrag.

2. Eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts durch eine Regelung setzt voraus, daß bei den von der Regelung begünstigten Personen das Verhältnis der Geschlechter untereinander erheblich abweicht von dem Verhältnis der Geschlechter bei den von der Regelung benachteiligten Personen.

 

Normenkette

BeschFG § 2 I; EWGVtr Art. 119

 

Verfahrensgang

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 30.09.1992; Aktenzeichen 17 Ca 234/92)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 30.01.1996; Aktenzeichen 3 AZR 275/94)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt/M. vom 30.09.1992 abgeändert.

Die Klage wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Überstundenzuschläge.

Die Klägerin ist bei dem Beklagten seit 1985 als Krankenschwester für Dialyse mit einer Wochenarbeitszeit von 21 Stunden beschäftigt. Es gilt der Arbeitsvertrag vom 17. Dezember 1985 (Bl. 10 d. A.). Darin heißt es: „Sie erklären sich bereit, bei betrieblicher Notwendigkeit über die vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit bis zur Erreichung der Durchschnittsarbeitszeit von wöchentlich 40 Stunden Arbeitsleistung zu erbringen.

Sofern die Arbeitszeit von 40 Stunden überschritten wird, werden Überstundenzuschläge gemäß § 13 MTV vergütet.”

In dem Arbeitsvertrag ist ferner vereinbart, daß die jeweiligen für den Beklagten gültigen tariflichen Regelungen Anwendung finden. Zu diesen tariflichen Regelungen zählt der Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer des Beklagten in der Fassung vom 13. Dezember 1989 (im folgenden: MTV).

§ 10 MTV Arbeitszeit bestimmt unter Nr. 1:

„Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers beträgt ausschließlich der Pausen im Durchschnitt 40 Stunden, ab 1. April 1989 39 Stunden und ab 1. April 1990 38,5 Stunden. Für die Berechnung des Durchschnitts der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist ein Zeitraum von vier Wochen zugrundezulegen.

Die regelmäßige tägliche Arbeitszeit beträgt für einen vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmer 8 Stunden, ab dem 1. April 1989 7 Stunden 48 Minuten und ab dem 1. April 1990 7 Stunden 42 Minuten. Sie kann bis zu 10 Stunden verlängert werden.”

§ 10 Nr. 10 MTV lautet:

„Überstunden sind auf Anordnung geleistete Arbeitsstunden, die über die im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit nach Ziff. 1 dienstplanmäßig bzw. betriebsüblich geleistet werden.”

§ 14 MTV Überstunden Nr. 1 hat folgenden Wortlaut:

„Die Barabgeltung für Überstunden beträgt je Überstunde 1/173 des monatlichen Stufengehalts.

Ab 1. April 1989 beträgt die Abgeltung von Überstunden je Überstunde 1/169 und ab 1. April 1990 1/167 des monatlichen Stufengehaltes.

Folgende Überstundenzuschläge werden gezahlt:

a) Mehrarbeit an Werktagen außer Samstagen

25 %

b) Mehrarbeit an Samstagen

50 %.”

Die Klägerin leistete am 21. Dezember 1991 und am 11. April 1992 jeweils 71/4 zusätzliche Stunden über ihre individuell vereinbarte Wochenarbeitszeit hinaus. Hierfür verlangte sie vom Beklagten erfolglos Überstundenzuschläge gemäß § 14 MTV.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Ihr stünden die Überstundenzuschläge deshalb zu, weil sie über die vereinbarte Arbeitszeit hinaus für den Beklagten tätig geworden sei. Die tarifliche Regelung, nach welcher die Zahlung von Überstundenzuschlägen eine Überschreitung der tariflichen Arbeitszeit für Vollzeitkräfte voraussetze, diskriminiere Teilzeitkräfte und damit Frauen, weil als Teilkräfte ganz überwiegend Frauen vom Beklagten beschäftigt würden.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 150,00 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat gemeint, der Klägerin ständen keine Überstundenzuschläge zu, nachdem sie die tarifliche Wochenarbeitszeit nicht überschritten habe. Die tarifliche Regelung, gemäß welcher Überstundenzuschläge erst nach einer Überschreitung der tariflichen Wochenarbeitszeit zu zahlen seien, sei nicht zu beanstanden. Eine Stunde zusätzlich zur vollen Arbeitszeit sei anstrengender als eine Stunde, die zusätzlich zur Teilzeitarbeit geleistet werde.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 30. September 1992 (Bl. 51–61 d. A.) Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Beklagte unter Vertiefung seines Vorbringens seinen Antrag auf Abweisung der Klage weiter. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels. Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Zur näheren Darstellung des zweitinstanzlichen Vorbringens wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten...

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