Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht des Arbeitgebers zur Vergütung von konkludent angeordneten Zeiten der Rufbereitschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Anordnung einer Rufbereitschaftsverpflichtung kann auch konkludent erfolgen.
Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber bzw. der Vorgesetze zwar nicht ausdrücklich und förmlich Rufbereitschaft anordnet, aber für Zeiträume außerhalb der üblichen Arbeitszeit, also in die Freizeit hinein, irgendeine Form der Erreichbarkeit oder Kontaktierbarkeit etwa für Notfälle vorschreibt.
Normenkette
TVöD-K VKA § 7 Abs. 4, § 8 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Darmstadt (Entscheidung vom 11.02.2015; Aktenzeichen 1 Ca 177/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 11. Februar 2015 - 1 Ca 177/14 - wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger vergütungspflichtige Zeiten der Rufbereitschaft für die Beklagte erbracht hat.
Die Beklagte betreibt diverse Einrichtungen, in denen sie Dienstleistungen für Senioren erbringt. Der Kläger ist seit dem 15. April 1994 in dem von ihr in Bensheim betriebenen Seniorenzentrum als Hausmeister tätig. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der schriftliche Arbeitsvertrag vom 23. Juli 1997 (Kopie Bl. 5 ff. d. A., Anl. 1 der Klageschrift), der in § 2 den Bundesmanteltarifvertrag der B in der jeweils gültigen Fassung in Bezug nimmt. Der Kläger ist in die Entgeltgruppe 6, Stufe 6 TVöD-BT-K VKA eingruppiert. Sein Stundenlohn betrug bis zum 28. Februar 2014 € 16,10 brutto und hiernach € 16,63 brutto bei einer Arbeitszeit von montags bis freitags zwischen 7:30 Uhr und 15:30 Uhr.
Die Beklagte erbrachte an den Kläger bis Mitte Mai 2014 monatlich gesonderte Zahlungen i.H.v. € 127,82 brutto, die sie in den Verdienstabrechnungen jeweils als Vergütung für "Bereitschaftsdienst" auswies. Die vorgenannten Zahlungen stehen im Zusammenhang damit, dass die Beklagte dem Kläger im Jahr 2006 ein dienstliches Mobiltelefon zum Mitführen auch außerhalb der regulären Arbeitszeiten zur Verfügung gestellt hatte.
Die Beklagte führt in ihrem Seniorenzentrum in Bensheim einen sog. Notfall-Ordner, in dem die mobile Rufnummer des dienstlichen Mobiltelefons des Klägers enthalten war. So war die Nummer auf Blatt 4.1 des Notfall-Ordners (BI. 35 d. A.) unter der Bezeichnung "Bereitschaft" aufgeführt. Auf den Blättern 4.2 bis 4.6 (BI. 36 ff. d.A.) hieß es, dass im Störungsfalle die Bereitschaftsnummer anzurufen sei. Daneben war jeweils eine weitere Telefonnummer, meist die eines externen Dienstleisters, angegeben. Auf Blatt 4.7 (BI. 41 d.A.) hieß es, dass bei Störungen haustechnischer Anlagen immer zuerst der Hausmeister zu informieren sei, dessen Name und mobile Rufnummer unter mehreren Ansprechpartnern als erste aufgeführt war. Wegen der weiteren Einzelheiten des Notfall-Ordners wird auf die als Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 20. November 2014 vorgelegten Auszüge (Bl. 34 ff. d. A.) verwiesen.
Mit Schreiben vom 23. November 2013 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung (Bl. 42 d. A.), in der sie u.a. ausführte, dass der Kläger nach Feststellung eines Heizungsdefekts und selbst nach einer am Freitag, dem 15. November 2013 gegen 16 Uhr erfolgten telefonischen Aufforderung des Geschäftsführers bis Montag, den 18. November 2013 keine Lösung zur Verfügung gestellt habe. Der Kläger nahm auf diese Abmahnung hin mit undatiertem Schreiben Stellung und berief sich darauf, dass eine Pumpe bereits am 16. November 2013, einem Samstag, besorgt und in Betrieb genommen worden sei. Da die Wärmeversorgung am 17. November 2013 wieder schlechter geworden sei, habe er den Monteur nochmals beauftragt, der ihm jedoch die Rückmeldung gegeben habe, dass eine Problembehebung erst am Montag möglich sei. Eine weitere Abmahnung erteilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 13. Januar 2014, in der sie u.a. ausführte, dass die Übernahme des Bereitschaftsdienstes sicherstellen solle, "dass bei außergewöhnlichen Vorfällen und Notsituationen durch aktives Handeln ... wichtige Abläufe der Einrichtung gewährleistet sind.". Die Betriebsleiterin nahm diese Anmahnung später zurück, weil sie nachträglich zu dem Schluss kam, dass der Kläger keine Rufbereitschaft leiste und nicht verpflichtet sei, ständig erreichbar zu sein. Wegen der Einzelheiten der genannten Abmahnungen, der Gegendarstellung und der Stellenbeschreibung wird auf die als Anlagen K 4 und K 7 bis K 9 vorgelegten Kopien dieser Schreiben verwiesen (Bl. 32, 42 ff. d. A.).
Der Kläger machte mit Schreiben vom 24. April 2014 gegenüber der Beklagten die Vergütung für Rufbereitschaftsdienste ab Oktober 2013 geltend. Die Beklagte zog das dienstliche Mobiltelefon am 24. Mai 2014 ein.
Mit der am 9. September 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 19. September 2014 zugestellten Klage hat der Kläger eine zuletzt auf € 7.493,76 brutto bezifferte Vergütung für Rufbereitschaftsdienste für den Zeitraum vom 1. Oktober 2013 b...