Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer Entsendungsvereinbarung. Auswirkungen eines Betriebsübergangs auf ein im Ausland zu vollziehendes Arbeitsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein ins Ausland entsandter Arbeitnehmer bleibt dem Inlandsbetrieb zugeordnet, wenn eine Bindung zum Inlandsbetrieb vorliegt, die es rechtfertigt, die Auslandstätigkeit der im Inland entfalteten Betriebstätigkeit zuzurechnen. Das ist anzunehmen, wenn die Auslandstätigkeit des entsandten Arbeitnehmers von vornherein nur vorübergehend vorgesehen ist.
2. Eine einzelvertragliche Entsendevereinbarung begründet kein zweites Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, sondern modifiziert lediglich das zwischen den Parteien schon bestehende Arbeitsverhältnis und zwar selbst wenn die Parteien ausdrücklich vereinbaren, dass die Entsendevereinbarung an die Stelle des Dienstvertrags tritt.
Normenkette
BGB §§ 133, 167, 613a Abs. 1; AÜG § 10
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Urteil vom 16.07.2003; Aktenzeichen 1 Ca 391/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 16.07.2003 – 1 Ca 391/02 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, ob zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht und darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger in Libyen zu beschäftigen.
Der am … 1971 geborene Kläger war aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19.12.1991 (Bl. 98/99 d.A.) seit 01.01.1992 in der damals von der Beklagten betriebenen Erdölraffinerie … in … beschäftigt.
Im Juli 1998 schlossen die Parteien eine Vereinbarung über die Beschäftigung des Klägers in Libyen. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieser Vereinbarung wird auf Bl 7–11 d.A. Bezug genommen. Ab 01.10.1998 war der Kläger sodann als „Plant-Shift-Leader” zu einer monatlichen Vergütung von EUR 7.500,00 in Libyen für die Beklagte tätig.
Ende 1999/Anfang 2000 veräußerte die Beklagte die Erdölraffinerie in … an die …, Anfang 2001 veräußerte die … diese Raffinerie an die … Betriebsführungsgesellschaft mbH (künftig: …).
Mit Schreiben vom 22.08.2002 (Bl. 6 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, die zwischen den Parteien bestehende Entsendungsvereinbarung ende mit Ablauf des 27.09.2002, ab dem 28.09.2002 lebe sein Dienstvertrag mit der Erdölraffinerie … wieder auf.
Nachdem die Beklagte eine Weiterbeschäftigung des Klägers in Libyen abgelehnt hatte, kehrte der Kläger Anfang Oktober 2002 nach Deutschland zurück und nahm seine Tätigkeit in der Erdölraffinerie in … auf.
Der Kläger trägt vor, in Libyen bestehe weiterhin eine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn. Ihm sei auch vor Abschluss der Entsendungsvereinbarung von Seiten der Beklagten zugesagt worden, ihn länger als 4 Jahre in Libyen zu beschäftigen. Die Beklagte habe entsprechende Entsendungsvereinbarungen in vielen anderen Fällen verlängert. Eine Weiterbeschäftigung des Klägers sei auch, entgegen der Ansicht der Beklagten möglich. Hierfür müsse nur ein neues Visum beantragt werden, das die Beklagte für den Kläger auch erhalten Würde. Ein „final exit” im Reisepass bedeute nur, dass eine Ausreise beanstandungsfrei möglich sei. Im Übrigen bestehen neben seinem Arbeitsverhältnis mit der … auch ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten, nämlich das Arbeitsverhältnis, das der Entsendung zugrunde gelegen habe. Dieses sei durch die Beendigung der Entsendung nicht erloschen.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass zwischen den Parteien über den 27. September 2002 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht;
- die Beklagte zu verurteilen, den Kläger über den 27.09.2002 hinaus in Libyen als Plant-Shift-Leader weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, eine Beschäftigung des Klägers in Libyen sei bereits formal nicht mehr möglich gewesen, da dem Kläger das „final exit” erteilt worden sei. Nach dessen Erteilung sei eine Einreise nach Libyen zur Aufnahme einer Arbeit für 3 Jahre nicht gestattet. Die Befristung der Entsendung auf 4 Jahre sei auch sachlich gerechtfertigt gewesen. Die Beklagte müsse 75 % der Arbeitsplätze mit libyschen Staatsangehörigen besetzen. Derzeit sei nur eine Quote von 60 % erfüllt. Befristete Verträge mit deutschen Mitarbeitern würden von den libyschen Behörden akzeptiert. Im Übrigen sei das Arbeitsverhältnis des Klägers auf die ERE übergegangen, das gelte auch für das Entsendeverhältnis. Durch die Wiederaufnahme der Tätigkeit in der Erdölraffinerie in … bestehe nur noch ein Arbeitsverhältnis mit der ….
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16.07.2003 abgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 41–50 d.A.) Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger innerhalb der zur Niederschrift über die Berufungsverhandlung am 15.03.2004 festgestellten und dort ersichtlichen Fristen Berufung eingelegt.
Er trägt vor, die Befristung der Ent...