Entscheidungsstichwort (Thema)
Weiterzahlung von Zulagen während Annahmeverzug
Leitsatz (amtlich)
Übernimmt ein unter Fortzahlung seines Verdiensts suspendierter Arbeitnehmer (hier: Personalratsmitglied) quasi nur zur Schadensminderung eine andere, aber vertraglich nicht geschuldete Tätigkeit, so beseitigt dies nicht den durch die Suspendierung eingetretenen Annahmeverzug des Arbeitgebers. Daher sind Zulagen, die während der früheren Tätigkeit gezahlt wurden, weiterzugewähren.
Normenkette
BGB §§ 611, 615; BMT-G II § 9 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.07.1986; Aktenzeichen 14 Ca 280/85) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9.7.1986 – 14 Ca 280/85 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
1) Es wird festgestellt, daß die Streichung der Fachvorarbeiterzulage und der Erschweriszulage des Klägers ab 1.7.1985 durch den Beklagten unrechtmäßig vorgenommen wurde.
2) Der Beklagte wird verurteilt, den Kläger als Vorarbeiter in der Mülldeponie entsprechend seinem Arbeitsvertrag vom 13.1.1975 und 1.2.1975 zu beschäftigen.
3) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
4) Der Kläger hat 1/6, der Beklagte 5/6 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
5) Der Wert des Streitgegenstandes wird auf DM 23.368,– festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger trat am 1.2.1975 in die Dienste des Beklagten. Im Arbeitsvertrag ist festgelegt, daß der Kläger als Arbeiter bei der Mülldeponie des Kreises beschäftigt wird und daß das Arbeitsverhältnis sich nach den Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) richtet. Der Kläger erhielt eine Vergütung nach Lohngruppe I.
Durch schriftliche Nebenabrede zum Arbeitsvertrag wurde dem Kläger eine Erschwerniszulage zugestanden, welche gem. § 4 der Nebenabrede mit einer Frist von 2 Wochen zum Monatsschluß kündbar sein sollte. Mit Erklärung vom 22.12.1976 wurde der Kläger zum Vorarbeiter bestellt mit Anspruch auf eine Vorarbeiterzulage. Der letzte Verdienst des Klägers betrug 3.250,– DM monatlich.
Der Kläger ist Mitglied des Personalrats.
Am 27.4.1984 suspendierte der Beklagte den Kläger von der Arbeit wegen einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem anderen Arbeitnehmer am 25.4.1983 außerhalb der Dienstzeit auf der Mülldeponie in W. Der Beklagte beabsichtigt, dem Kläger fristlos zu kündigen. Der Rechtsstreit über die Ersetzung der vom Personalrat verweigerten Zustimmung zur Kündigung ist noch anhängig.
Am 23.10.1984 hob der Beklagte die Suspendierung des Klägers auf und ordnete ihn zunächst bis zum 22.1.1985 und sodann bis zum 31.3.1985 zur Kreissporthalle in K. – ab. Der Kläger ist nach wie vor als Hausmeister in der Kreissporthalle tätig.
Verschiedene Anträge des Beklagten auf Zustimmung des Personalrats zur Versetzung des Klägers an die Kreissporthalle wurden vom Personalrat abgelehnt.
Mit Schreiben vom 4.7.1985 widerrief der Beklagte die Zahlung der Erschwernis- und Vorarbeiterzulage mit Wirkung vom 1.7.1985. Obwohl die Tätigkeit eines Hausmeisters grundsätzlich nach Lohngruppe III vergütet wird, erhält der Kläger eine Vergütung nach Lohngruppe I weitergezahlt.
Die Mülldeponie in W. ist inzwischen geschlossen worden. Inder anderen Mülldeponie des Beklagten in W. ist die dortige Vorarbeiterstelle besetzt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Nebenabrede sei Bestandteil des Arbeitsvertrages, so daß eine Veränderung des Inhalts nur durch Änderungskündigung erfolgen könne.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß die Streichung der Fachvorarbeiterzulage und der Erschwerniszulage ab 1.7.1985 durch den Beklagten unrechtmäßig vorgenommen wurde.
- den Beklagten zur Zahlung des bisherigen Lohnes über den 30.6.1985 hinaus zu verurteilen.
- hilfsweise festzustellen, daß der Beklagte verpflichtet ist, den Kläger als Vorarbeiter bei seiner Mülldeponie zu beschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, es habe keiner Kündigung der Nebenabrede bedurft, da die Zuschläge kraft tariflicher Regelung nur dann gezahlt würden, wenn der Arbeiter die zuschlagpflichtigen Arbeiten auch tatsächlich verrichtet. Die derzeitige Arbeit des Klägers als Hausmeister an der Kreissporthalle in K. rechtfertige aber keine Erschwerniszulage. Hilfsweise sei im Schreiben vom 4.7.1985 eine Kündigung zum 31.7.1985 zu erblicken. Für die Fachvorarbeiterzulage gelte, daß diese Zulage kraft tariflicher Regelung mit Ablauf des Kalendermonats entfalle, ab dem der Arbeiter die erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfülle.
Das Arbeitsgericht hat den Hauptanträgen stattgegeben und in den Entscheidungsgründen u. a. ausgeführt, die Streichung der Zulagen sei nicht wirksam. Der Beklagte habe sich in Annahmeverzug befunden, da er ihn nicht wie bisher als Arbeiter auf der Mülldeponie beschäftigt habe. Während des Annahmeverzugs gelte die tarifliche Regelung, daß die Zulagen nur dann gezahlt würden, wenn auch die entsprechenden Arbeiten ...