Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei der Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Zulagen
Leitsatz (amtlich)
Beschließt ein Arbeitgeber eine vollständige und gleichmäßige Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf außertarifliche Zulagen und unterbleibt bei wenigen Arbeitnehmern versehentlich die tatsächliche Anrechnung (weil übersehen wurde, daß deren Löhne auch übertarifliche Bestandteile enthielten), so entsteht dennoch kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wenn keine Anhaltspunkte für eine Umgehung oder einen Mißbrauch vorliegen.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 10
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 17.03.1994; Aktenzeichen 3 Ca 8305/93) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 17. März 1994 – 3 Ca 8305/93 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Weiterzahlung übertariflicher Lohn- bzw. Gehaltsbestandteile.
Die Kläger zu 21 und 32 sind seit mehr als drei Jahren bei der Beklagten, einem Unternehmen der Metallindustrie mit ca. 170 Arbeitnehmern, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft Organisationszugehörigkeit die Tarifverträge der hessischen Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Der Lohn der Kläger setzte sich aus einem Tariflohn sowie einer übertariflichen Zulage zusammen. Im gewerblichen Bereich betrug die übertarifliche Zulage zwischen 0,29 und 0,44 DM pro Stunde, im Angestelltenbereich werden unterschiedlich hohe übertarifliche Zulagen gezahlt.
Mit Schreiben vom 22.3.1993 (Bl. 37 d.A.) teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, sie beabsichtige, ab dem 1.4.1993 die in der Metallindustrie vereinbarte Tariflohnerhöhung auf die übertariflichen Zulagen anzurechnen. Der Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom gleichen Tage (Bl. 38 d.A.) und kündigte rechtliche Schritte an. Gleichfalls mit Schreiben vom 22.3.1993, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 11 d.A.) teilte die Beklagte den Arbeitnehmern die Anrechnung der Tariflohnerhöhung mit.
Unter dem 4.7.1993 machten die Mehrzahl der Kläger ihre Ansprüche geltend. Die Beklagte lehnte die Ansprüche am 26.7.1993 ab. Daraufhin reichten die Kläger unter dem 12.10.1993 Klage ein.
Bei sieben Arbeitnehmern, die in der Härterei beschäftigt werden, nahm die Beklagte zunächst keine Anrechnung vor. In diesem Betriebsteil wurde 1988 versuchsweise eine Prämienentlohnung eingeführt. Ferner erhielten die dort beschäftigten Arbeitnehmer eine freiwillige Zulage, die zunächst nicht auf die Tariflohnerhöhung angerechnet wurde. Mit Schreiben vom 30.11.1993 (Bl. 42 d.A.) teilte die Beklagte den betreffenden Arbeitnehmern mit, daß die Anrechnung zunächst versehentlich unterblieben sei und daher nunmehr nachgeholt werde und rückwirkend zum 1.4.1993 erfolge.
Schließlich jedoch wurde – in Absprache mit dem Betriebsrat – auf die Rückforderung der bis zur Entdeckung des Fehlers nach Auffassung des Arbeitgebers zuviel gezahlten Beträge verzichtet und die Anrechnung ab November 1993 vorgenommen.
Die Kläger haben die Auffassung vertreten, eine Anrechnung sei im Hinblick auf die jahrelange Gewährung der übertariflichen Leistungen nicht mehr zulässig. Zudem habe die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht berücksichtigt, da die übertariflichen Leistungen zum Teil in der Härterei nicht angerechnet worden seien.
Der Kläger zu 21 hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 04/93
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 05/93
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 06/93
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 07/93
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 08/93
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 09/93
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 10/93
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 11/93
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 12/93
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 01/94
61,07 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 02/94
aus dem jeweiligen Bruttobetrag zu zahlen,
2. festzustellen, daß die Beklagte nicht berechtigt ist, übertarifliche Lohnbestandteile auf die Tariflohnerhöhung des Klägers anzurechnen.
Der Kläger zu 32 hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.111,20 DM zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage hinsichtlich der Kläger zu 21 und 32 abzuweisen.
Die Beklagte hat die Anrechnung für zulässig gehalten. Sie hat vorgetragen, die Abrechnung sei in der Härterei versehentlich unterblieben und daher unverzüglich nach Kenntnis nachgeholt worden.
Die Geschäftsleitung habe den Beschluß gefaßt, die Tariferhöhung bei allen Arbeitnehmern anzurechnen. Entsprechendes habe die Personalleiterin, die Zeugin …, an die zuständigen Mitarbeiter weitergegeben. Erst durch den Schriftsatz der Klägerseite vom 28.10.1993 sei der Beklagten bekannt geworden, daß bei 7 Arbeitnehmer eine Anrechnung nicht erfolgt sei. Dies sei in der Personalabteilung aufgrund des untypischen Lohnaufbaus der 7 Mit...