Entscheidungsstichwort (Thema)

Umgehung. Widerspruch

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Vereinbarung bei Betriebsübergang, nach der der Betriebserwerber nicht in ein bestehendes Altersteilzeit-Arbeitsverhältnis eintreten soll und damit nicht für Ansprüche hieraus haften soll, ist unwirksam.

 

Normenkette

BGB §§ 134, 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Marburg (Urteil vom 09.07.2010; Aktenzeichen 2 Ca 573/09)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.12.2011; Aktenzeichen 8 AZR 220/11)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Marburg vom 09. Juli 2010 – 2 Ca 573/09 – abgeändert.

Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien ab 01. September 2008 ein Arbeitsverhältnis bestand.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, der Nebenintervenient die Kosten der Nebenintervention.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen darum, ob trotz eines Widerspruchs des Klägers gegen einen Betriebsübergang sein Altersteilzeitarbeitsverhältnis auf die Beklagte überging.

Der Beklagte ist die Betriebserwerberin des Werks A der B GmbH. Die B GmbH mit Sitz in C, welche ursprünglich in der Rechtsform einer AG organisiert war, verfügte über Werke an verschiedenen Standorten in Deutschland. Die Übertragung des Werks A auf die Beklagte erfolgte zum 01. September 2008. Es besteht kein Streit darüber, dass dies als Betriebsübergang im Sinne des § 613a Abs. 1 BGB zu qualifizieren war.

Über das Vermögen der B GmbH ist nach dem Betriebsübergang des Werks A am 01. Mai 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet worden (AG Kleve – 31 IN 8/09 –). Am 21. April 2010 wurde Masseunzulänglichkeit erklärt.

Der am XX.XX.19XX geborene Kläger war seit 01. September 1970 bei der B AG bzw. B GmbH im Werk A beschäftigt. Er vereinbarte am 31. Juli 2003 mit der damals noch tarifgebundenen B AG (Mitglied im Verband der Metall- und Elektrounternehmen Hessen e.V.) einen Altersteilzeitvertrag im Blockmodell auf der Grundlage des Tarifvertrages zur Altersteilzeit vom 04. Juli 2001 (TV ATZ). Das Altersteilzeitverhältnis begann am 01. Februar 2004, der Kläger wechselte zum 01. Februar 2007 in die Freistellungsphase, welche bis 31. Januar 2010 andauern sollte. Zur Wiedergabe des Inhalts des Altersteilzeitvertrages wird auf die Anlage K 1 zur Klageschrift verwiesen (Bl. 8 – 13 d.A.). Entsprechend dem Tarifvertrag Beschäftigungsbrücke in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 31. März 2000 (TV BB) war in § 10 des Altersteilzeitvertrages vorgesehen, dass der Kläger am Ende des Altersteilzeitverhältnisses gem. § 6 TV BB eine Abfindung in Höhe von 24 × 231,00 EUR, also 5.544,00 EUR, erhalten sollte.

Mit Schreiben vom 18. Juli 2008 wurden die Arbeitnehmer des Werks A über den bevorstehenden Betriebsübergang zum 01. September 2008 informiert. Die Arbeitnehmer wurden auf ihr Widerspruchsrecht gem. § 613a Abs. 6 BGB hingewiesen. Gleichzeitig wurde erklärt, dass im Falle eines Widerspruchs eine betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses unvermeidlich werden könne. Das auf dem Briefpapier der B GmbH verfasste Informationsschreiben ist von dieser und der Beklagten unterzeichnet worden. Wegen seines Inhalts wird auf die Anlage K 2 zur Klageschrift Bezug genommen (Bl. 15 – 20 d.A.).

Der Kläger erzielte in der Freistellungsphase eine Vergütung von 1.420,98 EUR brutto monatlich.

Am 14. August 2008 führte die B GmbH wegen des bevorstehenden Betriebsübergang eine Informationsveranstaltung für Arbeitnehmer in der Freistellungsphase der Block-Altersteilzeit durch. Der Kläger nahm an dieser Veranstaltung nicht teil. Der Personalleiter der B GmbH, D, bat am 14. August 2008 die Mitarbeiter in der Freistellungsphase der Altersteilzeit einen Widerspruch gegen den Betriebsübergang zu erklären. Der weitere Inhalt der Aussagen der Vertreter der B GmbH anlässlich der Informationsveranstaltung, insbesondere im Hinblick auf eine Insolvenzsicherung der Wertguthaben der Altersteilzeit, ist streitig.

Der Kläger erhielt nach dem 14. August 2008 ein undatiertes Schreiben der B GmbH. Dieses hatte folgenden Inhalt (Anlage K 4 zur Klageschrift, Bl. 22 f. d.A.):

„Informationen zum Betriebsübergang für Mitarbeiter in Freistellungsphase ATZ

Sehr geehrter Herr E,

an unserer Informationsveranstaltung am 14.08.2008 waren Sie leider verhindert. Sie erhalten heute einen kurzen Abriss der Veranstaltung.

Die B GmbH Werk A geht auf die F GmbH mit Betriebsübergang gem. § 613a BGB über.

Die beiden Parteien (Verkäuferin und Käuferin) haben sich darauf geeinigt, dass die ATZ-Verträge in der Freistellungsphase bei der B GmbH verbleiben sollen. Warum? Ihre Arbeitszeit (auch) für die Freistellungsphase haben Sie bereits bei der B GmbH abgeleistet. Die Kosten sind demnach bei der B GmbH entstanden, und sollen bis Vertragsende auch von B getragen werden.

Ansonsten müssen komplizierte interne Lohn/- Gehaltsverrechnungen vorgenommen werden. Ihre Abrechnungen sowie Ihr Lohn oder Gehalt erhalten Sie dann direkt von C.

Was müssen Sie tun? Sie widersprechen dem Übergan...

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