Entscheidungsstichwort (Thema)

Wiederholte sexuelle Belästigung als wirksamer Grund für fristlose Kündigung. Sexuelle Belästigung durch Versenden von E-Mails mit Links zu Videos mit beeinträchtigendem Inhalt

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist kommt es auf Gewicht und Auswirkungen der vertraglichen Pflichtverletzung an.

 

Normenkette

KSchG § 1; BGB § 626; AGG § 7 Abs. 1, § 3 Abs. 4, § 12 Abs. 3; ZPO § 91

 

Verfahrensgang

ArbG Wiesbaden (Urteil vom 08.08.2018; Aktenzeichen 3 Ca 131/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 8. August 2018 - 3 Ca 131/18 - teilweise abgeändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug nur noch um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung vom 9. März 2018.

Die Beklagte betreibt eine Onlinemarketing Agentur.

Der Kläger ist am XX. XX 1975 geboren und war zunächst seit dem 20. April 2007 als Softwareentwickler bei der A beschäftigt. Dieses Arbeitsverhältnis endete aufgrund eines Aufhebungsvertrages (Bl. 104 ff. d.A.). Zum 1. Januar 2011 schlossen die Beklagte und der Kläger am 21. Dezember 2010 (BI. 5 ff. d. A) - die Beklagte damals noch firmierend als B - einen neuen Arbeitsvertrag. Seither ist der Kläger bei der Beklagten zuletzt als Programmierer/Softwareentwickler in Vollzeit in C zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von € 3.500,00 beschäftigt.

Am 20. September 2017 schickte der Kläger seiner Arbeitskollegin, Frau D, von seinem Privataccount eine E-Mail an deren geschäftlichen Mailaccount. Der Privataccount des Klägers hat folgende Adresse: Y@fxxx-uxxx-cxxx-kxxx.xx. Die E-Mail enthielt einen link zu einem Youtube Video, dessen Inhalt ein Video mit einem Lied betrifft dessen Titel lautet „I want to fuck you in the ass right now“. Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts der E-Mail wird auf Blatt 33 der Akten Bezug genommen. Diese E-Mail des Klägers leitete Frau D an den Geschäftsführer der Beklagten zur Kenntnisnahme weiter. Mit Schreiben vom 29. September 2017 erteilte die Beklagte dem Kläger wegen Versendung der E-Mail an seine Kollegin eine Abmahnung (BI. 56 d.A.), weil er darin „ein unsittliches Video auf Youtube verlinkt“ habe. Es heißt in der Abmahnung weiter, diese Beleidigung sei gemäß dem Gesetz zum Schutz der Beschäftigten vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz nicht zu akzeptieren.

Am 30. September 2017 fand mit dem Kläger ein Personalgespräch mit dem Geschäftsführer der Beklagten statt und der Kläger gab am 2. und 4. November 2017 Stellungnahmen ab. Am 9. November 2017 teilte der Geschäftsführer der Beklagten mit, dass die Kollegin D sich durch das Video belästigt gefühlt habe und das gegenüber der Beklagten angezeigt habe. Sie – die Beklagte - könne eine solche Belästigung nicht tolerieren. Mit der Abmahnung sei klar gestellt worden, dass ein solches Verhalten und solche Inhalte zukünftig zu unterlassen seien (vgl. Bl. 58 d.A.). Der Kläger nahm darauf mit einer E-Mail vom 10. November 2017 erneut Stellung. Auszugsweise enthält diese Mail folgende Sätze: „Totalitäre Regime haben nie gefragt sondern erst geschossen und dann gefragt.“ „Ich zitiere Rambo: Ich hätte alle töten können. Ich könnte auch dich töten. In der Stadt hast du die Macht, nicht hier. Geh nicht weiter. Hör auf oder du hast einen Krieg, den du nie begreifen wirst! Lass uns aufhören. Lass es sein!““ Wegen der Einzelheiten und des genauen Inhalts dieser E-Mail wird auf Blatt 58 der Akten Bezug genommen.

Am 22. November 2017 ersuchte Frau D den Geschäftsführer der Beklagten darum, in der Folgewoche entweder Urlaub nehmen zu können oder im Homeoffice arbeiten zu können, weil der Geschäftsführer in der Folgewoche eine Geschäftsreise nach Kanada unternehmen wollte.

Am selben Tag schrieb Frau D an den Kläger per E-Mail auf dessen geschäftlichen Account:

„Betreff: deine privaten Nachrichten

Lieber E,

ich bitte dich hiermit – zum bereits dritten Mal – Nachrichten an meine private Telefonnummer zu unterlassen. Dies betrifft Whats App Nachrichten genauso wie Anrufe, insbesondere wenn sie nach 23:00 Uhr erfolgen. Danke.

Gruß

D

P.S.: auf deine Abmahnung kann ich keinen Einfluss nehmen, das ist eine Sache zwischen dir und deinen Vorgesetzten.“

Am 1. Dezember 2017 rief der Kläger Frau D um 3.24 Uhr auf deren privater Telefonnummer an.

Am 1. März 2018 sandte der Kläger seiner Arbeitskollegin D um 5:35 Uhr an deren geschäftlichen Account eine E-Mail (BI. 59 d. A.). Mit dieser E-Mail übersandte der Kläger Frau D zwei Verlinkungen zu YouTube-Videos. Hierbei handelt es sich um zwei offizielle Musikvideos der deutschen Musikgruppe „Eisbrecher", namentlich um die Titel „Zwischen uns“ und „Miststück 2012“, wobei der Kläger den letzten Titel in der E-Mail Frau D widmete. Hinsichtlich der Liedtexte wird auf den ...

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