Entscheidungsstichwort (Thema)
Recht der ULAK zur Verzugszinsenberechnung bei Verpflichtung nach § 7 SokaSiG. Kein Verzug bei nicht schuldhafter Nichtleistung. Weiter Gestaltungsspielraum bei der Festlegung der Höhe der Verzugszinsen
Leitsatz (amtlich)
1. Die ULAK ist berechtigt, Verzugszinsen für solche Beiträge zu berechnen, für die eine Zahlungsverpflichtung nur aufgrund des SokaSiG angenommen werden, kann, weil sich die jeweilige Allgmeinverbindlicherklärung des VTV als unwirksam erwiesen hat. Die Bauarbeitgeber durften sich bis zum 21. September 2016 nicht darauf verlassen, dass keine Beitragspflichten bestanden. Bei einer ungeklärten Rechtslage ist im Zweifel von einem Vertretenmüssen i.S.d. § 286 Abs. 4 BGB auszugehen (ebenso Hess. LAG 18. August 2017 - 10 Sa 211/17 - Juris).
2. Die in § 20 Abs. 1 VTV vom 3. Mai 2013 mit Wirkung zum 1. Juli 2013 eingeführte Verzugszinsregelung in Höhe von 1 % der Beitragsforderung pro angefangenem Monat ist angesichts des weiten Ermessensspielraums der Tarifvertragsparteien zulässig.
3. Zur Auslegung eines Vorbehalts, mit dem der Beitragsschuldner die Zahlung von Sozialkassenbeiträgen von der rechtlichen Verpflichtung zur Zahlung abhängig macht.
Normenkette
SokaSiG § 7; VTV-Bau §§ 15, 18, 20 Abs. 1; BGB § 812 Abs. 1 S. 1, §§ 242, 8286, 291; SGB IV § 24 Abs. 1 S. 1; ArbGG § 72 Abs. 2; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Wiesbaden (Urteil vom 24.10.2018; Aktenzeichen 11 Ca 1219/17) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 24. Oktober 2018 – 11 Ca 1219/17 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugunsten der Klägerin in Bezug auf den Streitgegenstand der Rückforderung gezahlter Zinsen zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung von zu dem Sozialkassenverfahren im Baugewerbe gezahlten Beiträgen sowie Zinsen.
Der Beklagte zu 1. ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK). Er ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien im Baugewerbe, der nach § 8 Ziff. 15.1 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe vom 4. Juli 2002 (BRTV) insbesondere die Aufgabe hat, die Auszahlung der Urlaubsvergütung zu sichern. Die Arbeitgeber haben die dazu erforderlichen Mittel durch Beiträge aufzubringen. Auf diese Beiträge hat die zuständige Urlaubskasse einen unmittelbaren Anspruch. Die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK) - die Beklagte zu 2. - hat nach § 3 Abs. 2 des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 (VTV) die Aufgabe, zusätzliche Leistungen zu den gesetzlichen Renten zu gewähren. Die für das Sozialkassenverfahren zuständige Einzugsstelle ist ab dem 1. Januar 2010 die ULAK.
Zwischen den Parteien waren mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig, bei denen es um die Frage ging, ob der betriebliche Geltungsbereich des VTV eröffnet ist. Mit Urteil vom 26. April 2013 - 10 Sa 1027/12 - hat das Hessische Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Beklagte verpflichtet sei, aufgrund ihrer betrieblichen Tätigkeit am Sozialkassenverfahren teilzunehmen. Dies wurde für den Beitragszeitraum Dezember 2004 bis November 2005 entschieden.
Die Parteien führten ca. Ende 2013 Korrespondenz über die noch ausstehenden Zahlungen unter Einbezug von Erstattungsleistungen sowie von Verzugszinsen. Mit Schreiben vom 20. Januar 2014 teilte die Urlaubskasse mit, dass nach § 20 Abs. 2 VTV bei einer nachträglichen Saldierung die Verzugszinsen aus dem gesamten nicht rechtzeitig bezahlten Betrag berechnet würden (Bl.189 der Akte). Einem Beitragssoll i.H.v. 1.598.791,03 Euro stünden Erstattungsforderung über 1.067.024,71 Euro gegenüber.
Als Differenz zwischen der Summe der geschuldeten Beiträge und den Urlaubserstattungen zahlte die Klägerin - nach ihrer Berechnung - am 30. Januar 2014 einen Betrag i.H.v. 571.953,57 Euro (Bl. 192 der Akte). Ausweislich des vorgelegten Kontoauszugs mit Stand: 27.10.2016 (Anl. K6) wurden am 22. August 2014 Zinsen i.H.v. 324.812,62 Euro als Sollposition in das Konto eingestellt (Bl. 244 der Akte). Am 18. September 2014 zahlte die Klägerin einen Betrag über 211.690,78 Euro, wobei dieser Betrag von ihr selbst errechnet worden war (Bl. 245 der Akte). Ab Oktober 2014 einigten sich die Parteien dahingehend, dass die Beiträge durch die ULAK per SEPA-Lastschriftverfahren eingezogen werden konnten. Mit Schreiben vom 21. Oktober 2014 (Bl. 238 der Akte) teilte die ULAK der Klägerin mit, dass der Betrag i.H.v. 481.822,41 Euro per SEPA-Lastschrift eingezogen werde. Dies ist ausweislich des Kontoauszugs auch am 20. Oktober 2014 erfolgt.
Mit Schreiben vom 26. November 2014 (Bl. 187 der Akte) teilte die Klägerin Folgendes mit:
„… Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass sowohl die Zahlung der Zinsen als auch die Zahlung der den Zinsen zugrundeliegenden Beiträge unter dem unbedingten Vorbehalt unserer rechtlichen Verpflichtung zur Teilnahme am Sozialkassenverfahren erfolgt. Der Vorbehalt bezieht sich insbesondere auf die Wirksamke...