Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzeskonforme Tarifauslegung
Leitsatz (amtlich)
Eine gesetzeskonforme Auslegung der §§ 11 Abs. 3 Nr. 1 und 13, Nr. 2 MTV für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen führt dazu, daß bei der Berechnung der Höhe der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und des Urlaubsentgelts Nach-, Sonntags- und Feiertagszuschläge mit zu berücksichtigen sind, auch wenn solche Zuschläge im Referenzzeitraum netto ausgezahlt wurden.
Normenkette
MTV Bewachungsgewerbe § 11 Abs. 3 Nr. 1, § 13 Nr. 2; LFG § 2 III; BUrlG § 13 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wetzlar (Urteil vom 12.02.1996; Aktenzeichen 3 Ca 144/95) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 12.02.96 – 3 Ca 144/95 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht Urlaubsentgelt- und Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall geltend.
Die Parteien unterfallen dem sachlichen Geltungsbereich des für allgemein verbindlich erklärten Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Hessen vom 28.10.1992 (MTV). Im November 1994 war der Kläger an 13 Arbeitstagen arbeitsunfähig und hatte 15 Tage Erholungsurlaub. An Urlaubsentgelt und Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zahlte die Beklagte für diese Zeit DM 2.737,56 brutto an den Kläger aus (Abrechnung Bl. 10 d.A.). § 11 Abs. 3 MTV lautet;
- Das Urlaubsentgelt bemißt sich nach dem durchschnittlichen Brutto-Arbeitsentgelt, das der Arbeitnehmer in den letzten drei Abrechnungsmonaten vor Antritt des Urlaubs erhalten hat. Das tägliche Urlaubsentgelt errechnet sich aus 1/91 des dreimonatigen Durchschnittsverdienstes.
- Bei Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraumes oder des Urlaubs eintreten, ist von dem erhöhten Verdienst auszugehen. Verdienstkürzungen, die infolge Krankheit, Arbeitsausfällen oder unverschuldetem Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgeltes außer Betracht.
§ 13 MTV lautet unter anderem:
2. Bis zur Dauer von 6 Wochen wird das durchschnittliche Brutto-Arbeitsentgelt der letzten drei Abrechnungsmonate vor Beginn der Erkrankung ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit bezahlt, wobei das monatliche Durchschnittseinkommen im Monat der Arbeitsunfähigkeit gezahlt werden muß. Das tägliche Arbeitsentgelt errechnet sich aus 1/91.
Die Ausschlußfrist des § 20 MTV lautet schließlich:
1. Ansprüche aus dem Mantel- und Lohntarifvertrag müssen innerhalb einer Ausschlußfrist von drei Monaten nach Entstehung schriftlich geltend gemacht werden.
Einschließlich der nicht versteuerten und nicht sozialversicherungspflichtigen Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge erzielte der Kläger im August 1994 DM 3.905,61 an Arbeitsverdienst, im September DM 3.398.75 DM und im Oktober DM 3.817,74, insgesamt im genannten Zeitraum also DM 11.122,10. Auf die entsprechenden Lohnabrechnungen wird ergänzend Bezug genommen (Bl. 7 bis 9 d.A.).
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, daß zum „Brutto-Arbeitsentgelt” im Sinne der §§ 11 Abs. 3 Ziff. 1 und 13 Ziff. 2 MTV auch die nicht zu versteuernden Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge zählten. Er hat daher gemeint, daß der Verdienst der Monate August bis Oktober 1994 in Höhe von insgesamt DM 11.122,10 durch 91 zu teilen sei, so daß ihm für jeden der fraglichen 18 Tage (13 Tage Arbeitsunfähigkeit und 15 Tage Erholungsurlaub) DM 122,22, insgesamt also DM 3.422,16 zustehen. Die Differenz zu dem gezahlten Betrag von DM 2.737,56 hat er mit Schreiben vom 02.01.1995 gegenüber der Beklagten unstreitig geltend gemacht und hat dementsprechend beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 684,60 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus errechnenden Nettobetrag seit dem 16.12.1994 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Ansprüche des Klägers seien gemäß § 20 MTV verfallen, da sie erst mehr als fünf Monate nach dem Schreiben vom 02.01.1995 gerichtlich geltend geroacht worden seien und im übrigen geroeint, daß das Brutto-Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 11 und 13 MTV nicht die netto ausgezahlten Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschläge enthalte. Zur Begründung hat sie auf den Vorgänger-Tarifvertrag vom 21. Januar 1987 Bezug genommen (Bl. 21 bis 33 d.A.), in dem als Bezugseinkünfte für die Berechnung des Anspruchs auf Urlaubsentgelt bzw. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch – unstreitig – auf den „durchschnittlichen Arbeitsverdienst” abgestellt worden war.
Mit am 12.02.1996 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und die Berufung zugelassen. Es ist der Auffassung des Klägers gefolgt. Wegen des vollständigen Urteils wird ergänzend auf Bl. 34 bis 42 d.A. Bezug genommen.
Gegen das ihr am 15.04.1996 zugestellte Urteil (Bl. 43 d.A.) hat die Beklagte am 23.04.1996 Berufung eingelegt (Bl. 45 d.A.) und diese am 14.05.1996 (Bl. 49 d.A.) begründet. Sie meint weiterhin, daß die V...