Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung einer Leistung durch gerichtliches Auskunftsverfahren. Auskunftsrecht hinsichtlich der von den Parteien des Arbeitsverhältnisses festgelegten Parameter. Kein Anspruch auf das Wie der Leistungsbestimmung (Verteilung von Boni). Darlegungslast des Leistungsbestimmungsberechtigten
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erhebung einer Stufenklage und damit die Zulassung eines unbestimmten Leistungsantrags entgegen § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist gerechtfertigt, wenn das Auskunftsbegehren ein notwendiges Hilfsmittel ist, um die (noch) fehlende Bestimmtheit des auf der letzten Stufe verfolgten Leistungsanspruchs vorzubereiten und herbeiführen zu können (BGH 8. Dezember 2016 – IX ZR 257/15 – NZI 2017, 105). Dabei reicht es aus, wenn auch nur ein Teil der für die Bezifferung benötigten Informationen im Wege der Auskunftsklage zu erlangen ist (BGH 6. April 2016 – VIII ZR 143/15 – NJW 2017, 156).
2. Ein Anspruch auf richterliche Bestimmung der Leistung gem. § 315 Abs. 3 S. 2 BGB kann im Rahmen einer Stufenklage nach § 254 ZPO verfolgt werden. Dass der Anspruchsteller eine solche Klage nicht beziffern muss, steht dem nicht grundsätzlich entgegen, weil eine Bezifferung zum einen zulässig ist und dem Anspruchsteller deshalb auch ermöglicht werden muss und zum anderen eine unbezifferte Klageerhebung für ihre Zulässigkeit jedenfalls eine Größenordnung des geltend gemachten Anspruchs angeben muss, was ebenfalls den Anwendungsbereich des § 254 ZPO eröffnet.
3. Der Auskunftsanspruch im Rahmen einer Klage nach § 315 Abs. 3 S. 2 BGB bezieht sich auf diejenigen Auskünfte, derer der Kläger bedarf, um gemäß seiner Obliegenheit vorzutragen und/oder zu beziffern, welche Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht. Haben sich die Arbeitsvertragsparteien insoweit auf Parameter geeinigt, bezieht sich der Auskunftsanspruch grundsätzlich auch auf diese Parameter, sofern insoweit die allgemeinen Voraussetzungen eines Auskunftsanspruchs vorliegen. Voraussetzung ist weiter, dass der Anwendungsbereich des § 315 Abs. 3 S. 2 BGB eröffnet ist, der Bestimmungsberechtigte die Leistung also nicht bereits verbindlich festgelegt hat.
4. Es besteht kein materiell-rechtlicher Anspruch auf Auskünfte darüber, wie der Leistungsbestimmungsberechtigte die Leistungsbestimmung vorgenommen hat. Dies muss der Bestimmungsberechtigte darlegen, wenn er geltend machen will, dass seine Leistungsbestimmung billigem Ermessen entspricht. Im Rahmen des § 315 Abs. 3 S. 2 BGB ist jedoch nicht mehr maßgeblich, wie die Leistung bestimmt wurde, sondern wie sie zu bestimmen ist.
Normenkette
ZPO §§ 254, 253 Abs. 2; BGB §§ 315, 241 Abs. 2, § 611; ArbGG § 62 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 19.09.2019; Aktenzeichen 21 Ca 3806/19) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 19. September 2019 – 21 Ca 3806/19 – teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Auskunft zu erteilen über
die für Bonuszahlung (Cash, Deferred Cash und Aktien) für die Beklagte insgesamt, den Bereich A, den Unterbereich B sowie die Abteilung C im Jahr 2017 bereitgestellten Mittel (Bonuspools);
die Ertragsbudgets, die erzielten Erträge sowie die gezahlten Boni (Cash, Deferred Cash und Aktien) der Mitarbeiter auf Director- und Managing Director-Ebene des Bereichs A, des Unterbereichs B sowie der Abteilung C, denen Ertragsbudgets vorgegeben wurden, für das Jahr 2017, wobei die Auskunft individuell, jedoch anonymisiert zu erteilen ist.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Von den Kosten der Berufung hat der Kläger 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit wird ausgeschlossen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen einer Stufenklage nach erstinstanzlichem Teilurteil in der Berufung über Auskunftsansprüche des Klägers betreffend einen Bonus für das Jahr 2017.
Der Kläger ist seit dem 1. Januar 2003 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrags vom 28. August 2002 (Bl. 17 d. A.) beschäftigt.
Die Beklagte ist eine Investmentbank mit Sitz in Frankfurt am Main und wird als eigenständige Gesellschaft der D, einer US-Gesellschaft, in Deutschland tätig.
In Ziff. 5 des Arbeitsvertrages vereinbarten die Parteien auszugsweise folgende Bonusregelung:
„Sie nehmen am jeweils gültigen “Performance related Bonus Program“ der Gesellschaft teil. Diese Sonderzahlung wird zu einem, durch die Gesellschaft festgesetzten Bonuszahltag im neuen Kalenderjahr fällig und stellt eine freiwillige Zusatzleistung dar, auf die auch nach eventueller Zahlung kein Rechtsanspruch besteht. Ein eventueller Bonus ist u.a. von Ihrer persönlichen Leistung, von der Ertragslage der E Gruppe weltweit und von der Betriebstreue abhängig. Ein Bonusanspruch besteht jedenfalls dann nicht, wenn Sie zum Zeitpunkt seiner Zahlungen in einem gekündigten oder nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis zu uns stehen oder ...