Entscheidungsstichwort (Thema)
Streichen von Klauseln ist neues Angebot. Arbeitsrechtliche Nachvollziehbarkeit von Tarifregelungen
Leitsatz (redaktionell)
Bezugnahmeklauseln können nur beidseitig vereinbart werden. Wird das Angebot abgeändert, so gilt es als nicht angenommen. Dieses neue, modifizierte Angebot muss dann wiederum angenommen werden.
Normenkette
BGB § 611; TVG §§ 3, 4; BGB § 150 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 07.02.2018; Aktenzeichen 10 Ca 341/16) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 07.02.2018 – 10 Ca 341/16 – abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen auf das Arbeitsverhältnis der Parteien.
Die Klägerseite ist Mitglied der Industriegewerkschaft Metall und seit dem 25.07.2005 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin auf der Grundlage des am 20.07.2005 geschlossenen Arbeitsvertrages beschäftigt. Wegen des Inhalts des Arbeitsvertrages wird auf die Kopie Blatt 5 bis 7 der Akten Bezug genommen. Die Beklagte ist ein Unternehmen, welches Kunden aus der Luft – und Raumfahrtindustrie Werkstoffdienstleistungen anbietet. Zunächst war sie nicht tarifgebunden. Am 15. Mai 2015 schlossen die Beklagte, die Industriegewerkschaft Metall und der Unternehmerverband Industrieservice und Dienstleistungen e.V. einen Manteltarifvertrag (im Folgenden: MTV) und einen Entgeltrahmentarifvertrag (im Folgenden: ERTV). In § 37 des MTV wurde Folgendes vereinbart:
„Tarifvertragsansprüche
Ansprüche aus diesem Tarifvertrag setzen voraus, dass die Einführung des Tarifwerks auch arbeitsvertraglich nachvollzogen wird.
Die Bezugnahmeklausel lautet wie folgt:
Das Arbeitsverhältnis richtet sich – von den gesetzlichen Vorschriften abgesehen – nach dem jeweils für den Betrieb aufgrund der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers soweit und solange der Arbeitgeber tarifgebunden ist geltenden Tarifwerk in seiner jeweils gültigen Fassung. Dieses sind zur Zeit die Tarifverträge für die ThyssenKrupp Aerospace Germany GmbH zwischen der IG Metall auf der einen Seite sowie der ThyssenKrupp Aerospace Germany GmbH und dem Unternehmerverband Industrieservice auf der anderen Seite“.
Eine wortgleiche Klausel wurde auch in § 8 des ERTV vereinbart. Unter dem Datum des 31.03.2016 übersandte die Beklagte der Klägerseite einen neuen Arbeitsvertrag. In ihm waren neben der tarifvertraglich vorgegebenen Bezugnahmeklausel weitere von seinerzeit geltenden Arbeitsvertrag abweichende Arbeitsbedingungen aufgenommen. Die Klägerseite strich einige Klauseln teilweise durch und unterschrieb den neuen Arbeitsvertrag. Unter dem Datum des 04.07.2016 und 10.10.2016 machte sie gegenüber der Beklagten Forderungen auf der Grundlage des MTV und ERTV geltend. Außer der Klägerseite haben lediglich zwei weitere Arbeitnehmerinnen das vorgelegte Vertragsangebot der Beklagten nicht uneingeschränkt akzeptiert. Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der Antragstellung der Parteien wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils – Blatt 238 bis Blatt 243 der Akten – verwiesen.
Durch das am 07.02.2018 verkündete Urteil hat das Arbeitsgericht der Zahlungsklage teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat es – kurz zusammengefasst – Folgendes ausgeführt: den Zahlungsansprüchen stehe nicht entgegen, dass die Klägerseite den neuen Arbeitsvertrag nicht unterschrieben habe. Insoweit könne dahingestellt bleiben, ob sich § 37 MTV und § 8 ERTV mit dem Günstigkeitsprinzip des § 4 Abs. 3 TVG vereinbaren ließen. Jedenfalls könne sich die Beklagte gem. § 162 Abs. 1 BGB nicht darauf berufen, dass die Einführung des Tarifwerks arbeitsvertraglich nicht nachvollzogen sei, da sie die arbeitsvertragliche Einführung des Tarifwerkes durch Vereinbarung der tarifvertraglich vorgeschriebene Bezugnahmeklausel selbst verhindert hat, indem sie von der Klägerseite nicht nur die Vereinbarung der Bezugnahmeklausel, sondern gleich den Abschluss eines ganzen Arbeitsvertrages verlangt habe, der für die Klägerseite über die Bezugnahmeklausel hinaus negative Veränderungen enthalten habe. Allerdings seien ein Teil der Ansprüche verfallen, da die Klägerseite die Ausschlussfrist nicht gewahrt habe. Wegen der weiteren Begründung im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils – Blatt 244 bis Blatt 247 R. – verwiesen.
Gegen das am 02.03.2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.03.2018 Berufung eingelegt und – nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 04.06.2018 auf rechtzeitigen Antrag hin – mit dem am 28.05.2018 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Klägerseite hat gegen das am 01.03.2018 zugestellte Urteil am 28.03.2018 Berufung eingelegt und mit dem am 26.04.2018 b...