Leitsatz (amtlich)
1. Kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 I. Nr. 10 BetrVG, wenn der Arbeitgeber allen Inhabern von Pensionsverträgen eine inhaltlich gleichlautende Änderungsofferten zur Einführung einer Gesamtversorgungsgrenze macht.
2. Steht der Unverfallbarkeitsschutz (§ 1 BetrAVG) einer Verschlechterungsofferte im bestehenden Arbeitsverhältnis entgegen?
3. Zur Anwendung einer Versorgungsobergrenze, die nur Überversorgungen abbauen soll (Limitierungsklausel).
4. Kein Abschlag wegen Vorruhestandes nach § 6 BetrAVG, wenn der Pensionsvertrag eine solche Kürzungsmöglichkeit weder dem Grunde noch der Höhe nach vorsieht.
5. Eine ergänzende Vertragsauslegung kann Rechtsirrtümer und Fehler bei der Formulierung eines Pensionsvertrages, die der Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger nicht erkennen konnte, nicht korrigieren.
Normenkette
BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Urteil vom 02.02.1984; Aktenzeichen 2 Ca 138/83) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 2.2.1984 – 2 Ca 138/83 – abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die Monate Januar und Februar 1983 über die bereits gezahlten je DM 354,60 hinaus jeweils DM 799,56 nebst 4% Zinsen seit 11.3.1983 zu zahlen.
Die Kosten des Hechtsstreits trägt die Beklagte. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt DM 1.599,12. Die Bevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des dem Kläger ab 01.01.1983 zustehenden betrieblichen Altersruhegeldes.
Der am 27.12.1922 geborene Kläger war seit 17.10.1949 bei der Beklagten angestellt; leitender Angestellter war er nicht.
Seit 23.12.1955 vereinbarte die Beklagte nach und nach mit gehobenen Mitarbeitern individuelle Pensionsverträge, die im wesentlichen nach dem gleichen Muster abgeschlossen wurden, jedoch entweder als „Sockelbetrag” DM 10.000,00 oder DM 11.000,00 vorsahen. Solche Pensionsverträge wurden mit insgesamt 114 Mitarbeitern abgeschlossen, das sind weniger als 10 % der von der Beklagten beschäftigten Höchst-Belegschaft.
Unter dem 19.07.1965 vereinbarten die Parteien einen derartigen Pensionsvertrag (Wortlaut Bl. 10 bis 13 d. A.), der ab Vollendung des 65. Lebensjahres ein Altersruhegeld vorsah, das unabhängig von eventuellen Sozialversicherungsansprüchen (§ 2 Nr. 3) gewährt werden sollte. § 2 Nr. 1 und Nr. 2 lauten:
- Die Höhe des Ruhegehaltes, das in monatlichen Raten nachträglich zahlbar ist, richtet sich nach der Dienstzeit bei der P. AG und dem Jahresgehalt ohne Gratifikationen, Überstunden-Zuschläge und dergleichen, das Herrn Z. im letzten Jahr vor seinem Ausscheiden zugestanden hat.
Das Ruhegehalt beträgt nach 40 Dienstjahren
von dem Teil des Gehaltes der |
unter |
DM 11.000,– liegt |
(Sockel): 20 % |
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DM 11.000,– übersteigt |
(Spitze):70 %- |
Für jedes an 40 Dienstjahren fehlende Jahr wird dieses Ruhegehalt gemindert um
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2/7 % des Sockels |
und |
1 % der Spitze. |
Weitere Begrenzungen dieser betrieblichen Leistungen waren nicht vorgesehen.
Seit 01.04.1972 hatte die Beklagte für ihre übrigen Mitarbeiter eine generelle Ruhegeldordnung (Wortlaut Bl. 304 bis 307 d. A.), nach deren § 6 Abs. 4 Sonderzahlungen individueller oder genereller Art. (z. B. Überstundenvergütungen, Gratifikationen, Urlaubsgelder, Jubiläumsgeld) ausdrücklich von der Bemessungsgrundlage ausgenommen waren, deren § 5 für das 6. bis zum Ende des 10. Dienstjahres 35 % der Bemessungsgrundlage und anschließend pro Dienstjahr 1,2 % zusätzlich bis maximal 65 % an betrieblichen Leistungen vorsah, nach deren § 10 gesetzliche Renten bis zur Hälfte auf die betrieblichen Leistungen anzurechnen waren und deren § 11 eine Gesamtversorgungsgrenze von 85 % enthielt.
Mit Schreiben vom 20.07.1972 lehnte der Kläger ein Umstellungsangebot der Beklagten ab und hielt an seinem Pensionsvertrag fest.
Etwa ab 1975 geriet die Beklagte in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Ein Fachgutachten einer Beratungsfirma für Altersversorgung vom 07.10.1975 ergab, daß für die Inhaber alter Pensionsverträge überversorgungen bis zu 130 % ihrer letzten Nettoeinkünfte möglich seien. Etwa im Oktober 1975 entwarf die Beklagte – nach ihren Angaben auf Druck der kreditgebenden Hausbanken – Änderungsofferten zu den Pensionsverträgen und eine Änderung der Versorgungsordnung (Bl. 181–187 d. A.), die im wesentlichen für die Inhaber von Pensionsverträgen eine Gesamtversorgungs-Obergrenze von anfangs 80 % der durchschnittlichen letztjährigen Nettoeinkünfte aus aktiver Zeit vorsah. In der Folgezeit wurde mit den Betroffenen über diese Änderungsofferte verhandelt. Unter dem 13.11.1975 rechnete die Beklagte dem Kläger das Ausmaß der von ihr beabsichtigten Limitierung für den Versorgungsfall ab Alter 65 vor.
Dabei ging sie von einer Gesamtversorgungs-Obergrenze von 80 % aus, legte eine nach dem Näherungsverfahren errechnete BfA-Rente von DM 1300 ab Alter 65 für den Kläger zugrunde, die zu einer Nettoüberversorgung von 112 % für den Kläger geführt hätte und wies die beabsichtigte Kürzung der Ansprüche des Klägers mit netto DM 784 mo...